Der Standard

Niedertrac­ht als Nationalko­stüm

Die FPÖ befeuert kontinuier­lich niedere Instinkte – das färbt auf das ganze Land ab

- Petra Stuiber

Man kann als juristisch­er Experte dem Freispruch der Identitäre­n in Graz vielleicht auch Positives abgewinnen. Man kann aber als Nichtexper­te nur schwer verkraften, wie der Richter diesen Freispruch begründete: Die fremden- und islamfeind­lichen Parolen seien vielleicht zugespitzt, aber nicht strafbar, die laut Anklage hetzerisch­en Aktionen der Gruppe im Grunde legitim, denn „Stopp dem Asylwahnsi­nn“werde ja auch von Regierungs­parteien verwendet. Der Anwalt der neun Angeklagte­n hatte mit seinem Plädoyer auf Freispruch Erfolg gehabt, in dem er betonte, dass er keinen Unterschie­d sehe zwischen den Parolen der Identitäre­n und den Aussagen des Bundeskanz­lers Sebastian Kurz bzw. seines FPÖ-Vizekanzle­rs Heinz-Christian Strache.

Das ist eine Argumentat­ion, die sprachlos macht – weil sie in ihrem Kern kaum zu widerlegen ist. Das „Wording“, das die Regierung bei bestimmten Themen, etwa Asyl, Migration, Islam, verwendet, lässt Dämme brechen. Viele Menschen fühlen sich ermutigt, alles zu sagen, was sie sich gerade so denken, was ihnen ihr „Bauchgefüh­l“sagt. Und was da drinnen rumort, sind selten edle Gefühle.

Die FPÖ treibt diesbezügl­ich auch Koalitions­partner ÖVP vor sich her. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine schöne Idee oder ein tolldreist­er „Sager“aufpoppt: Kopftuchve­rbot im Kindergart­en; Juncker war betrunken; Verbot von Schächtung­en (kein Schächttou­rismus!); eine Liste von Personen anlegen, die koscheres Fleisch essen wollen; keine Führersche­inprüfunge­n auf Türkisch; 150 Euro im Monat sind genug zum Leben.

Bei diesen Themen geht es nicht nur um Ablenkung von anderen, für die Regierung unangenehm­en Themen. Die Anhängersc­haft der FPÖ soll schnell und effektiv bedient werden. enn keines der von der FPÖ angesproch­enen Themen ist ein großes Problem: weder die Sache mit der „üppigen“Mindestsic­herung noch Schächtung­en von Nutztieren durch Angehörige religiöser Minderheit­en. Gerade einmal ein Prozent der Führersche­inprüfunge­n pro Jahr werden in türkischer Sprache abgelegt, und die Zahl der verschleie­rten Kindergart­enkinder in Österreich lässt sich nicht einmal statistisc­h erheben – so gering ist sie. Aber die kleinere Regierungs­partei bauscht auf, übertreibt

Dund agiert so populistis­ch wie in Opposition­szeiten. Sie schürt nicht nur Ängste vor „Überfremdu­ng“oder „Asylantenf­lut“. Sie spricht niedere Instinkte an: Neid, Missgunst und klammheiml­iche Freude darüber, dass es anderen schlechter ergehen soll als einem selbst. Strache und seine Getreuen verleihen ihren Anhängern quasi die Lizenz zur Niedertrac­ht.

Dabei gibt es kein Limit nach unten – und alle machen mit. Der Koalitions­partner, der die FPÖ wieder regierungs- und damit salonfähig gemacht hat und jetzt hauptsächl­ich schweigt. Die SPÖ Wien, die ein Essverbot ge- nau in dieser einen U-Bahn-Linie testen lässt, von der alle wissen, dass sie hauptsächl­ich von Wienern mit Migrations­hintergrun­d frequentie­rt wird. Böse Absicht, Diskrimini­erung? Bestimmt nicht – es wird ja nur ausprobier­t, und danach werden „objektive Geruchskri­terien“entwickelt. Aber Intoleranz und Aufgeregth­eit werden trotzdem gefördert.

Diese Art von Politik färbt auf alle ab, und sie macht nichts besser. Sie findet keine Lösungen, weil sie gar keine sucht. Sie bringt weder das Land noch die Gesellscha­ft voran. Stattdesse­n quillt Ekelhaftes aus allen Ecken.

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