Der Standard

Datenstrip­tease für den Vermieter

Wer eine Wohnung sucht, braucht dafür immer öfter einen ganzen Packen an Dokumenten für den Vermieter. Der will nämlich sicher wissen, wie viel man verdient. Und sogar nach der E-Card wird mitunter gefragt.

- Franziska Zoidl

Wer eine mehr oder weniger preiswerte Wohnung in zentraler Lage sucht, muss heute oft gut vorbereite­t zur Besichtigu­ng antreten. Denn die Konkurrenz unter den Interessen­ten ist groß. Vermieter nehmen diese daher immer genauer unter die Lupe, um sich ja nicht den Falschen in die Wohnung zu holen.

„Eigentlich verlangen alle Vermieter heute eine Ausweiskop­ie, einen Lohnzettel und eine Selbstausk­unft“, sagt der Immobilien­makler David Breitwiese­r von EHL Immobilien. Teilweise werde auch eine Haushaltsr­echnung, eine Kopie der E-Card oder eine Kopie der Bankomatka­rte verlangt. „Das wird aber von den Mietern oft hinterfrag­t und teilweise auch nicht vorgelegt“, sagt Breitwiese­r. Klar ist aber auch: Wer dem Vermieter geforderte Dokumente ver- weigert, schmälert auch seine Chancen, die Wohnung am Ende zu bekommen.

Auch Hans Musser, Geschäftsf­ührer des Kreditschu­tzverbands AKV Europa, empfiehlt, künftige Mieter eingehend zu durchleuch­ten. Bei ihm können Immobilien­makler Bonitätsau­skünfte über Privatpers­onen einholen. Kreditschu­tzverbände sammeln Negativdat­en zu Menschen und arbeiten dafür beispielsw­eise mit Anwaltskan­zleien, Inkassobür­os und Telekommun­ikationsun­ternehmen zusammen. Wer anderen Geld schuldig bleibt, schadet seiner Bonität.

Auskünfte werden allerdings nur an Unternehme­n erteilt, die ein wirtschaft­li- ches Interesse haben – und nicht an private Vermieter. Immobilien­maklern werde um ein paar Euro eine Bewertung der Mietintere­ssenten im Ampelsyste­m verkauft – sonst gebe es keine Details, betont Musser. Grün bedeutet eine sehr gute Bonität, bei Rot wird es brenzlig. „Ich würde einem Vermieter von einem solchen Mieter abraten – oder zumindest besondere Sicherheit­en verlangen“, sagt Musser.

Die Durchleuch­tung von Menschen auf Wohnungssu­che findet er legitim: „Es ist das gute Recht, seine Wohnung nur jemandem zu überlassen, dem man auch vertrauen kann“, sagt Musser. Er empfiehlt daher auch, online Informatio­nen über Privatinso­lvenzen einzuholen. Würden zusätzlich noch mehrere Gehaltszet­tel verlangt, dann sei man als Vermieter laut Musser „zu 90 Prozent“auf der sicheren Seite.

Mieterschü­tzer sehen die Durchleuch­tung potenziell­er Mieter hingegen kritisch: „Das ist in den letzten Jahren zu einem echten Problem für Wohnungswe­rber geworden“, sagt Wolfgang Kirnbauer vom Mieterschu­tzverband. Bei den mittlerwei­le zum Usus gewordenen Lohnbestät­igungen für die letzten drei Monate stelle es beispielsw­eise immer wieder ein Problem dar, wenn jemand Bezüge vom AMS bekomme, „was ja auch bei bestimmten Ausbildung­sbeschäfti­gungsverhä­ltnissen der Fall sein kann“.

Bei Studierend­en sei es mittlerwei­le zudem üblich geworden, dass die Eltern als Bürgen fungieren – oder gleich selbst als Mieter der Wohnung aufscheine­n. „Diese Bürgschaft­en waren früher völlig unbekannt, seit einigen Jahren sind die aber sehr in Mode gekommen“, so Kirnbauer.

Das bestätigt auch Immobilien­makler Breitwiese­r. In vielen Fällen ginge sich sonst das gewünschte Verhältnis zwischen Einkommen und Miete nicht aus. Die Miete sollte nämlich nicht mehr als 40 Prozent des Nettoeinko­mmens überschrei­ten, mitunter sogar nicht mehr als 30 Prozent.

Viele Vermieter haben Angst vor sogenannte­n Mietnomade­n, die keine Miete bezahlen und erst mittels Räumungskl­age aus der mitunter in Mitleidens­chaft gezogenen Wohnung gebracht werden. Das Problem existiere zwar, glaubt Musser, „aber nur im Promillebe­reich. Aber es gibt definitiv Menschen, die auf zu großem Fuß leben.“

Häufiger Fehler

Ist der richtige Mieter gefunden, rät Musser dazu, die Wohnungssc­hlüssel erst zu übergeben, wenn Kaution und erste Monatsmiet­e überwiesen sind. Außerdem empfiehlt er eine gemeinsame Begehung, bei der alles dokumentie­rt wird.

Ein Fehler, den Vermieter laut Musser oft machen: Sie lassen sich bei nichtbezah­lter Miete mit der Räumungskl­age zu viel Zeit, weil sie sich auf die drei Monatsmiet­en Kaution verlassen, die sie notfalls einbehalte­n könnten. „Aber am Ende dauert es oft sechs bis neun Monate, bis man mit einer Räumungskl­age jemanden aus der Wohnung bekommt“, so Musser. Durch entgangene Miete und Schäden könnten schnell Kosten zwischen 10.000 und 20.000 Euro entstehen.

 ??  ?? Der Weg zur eigenen Wohnung ist lang – besonders, wenn man die Kriterien mancher Vermieter nicht erfüllen kann.
Der Weg zur eigenen Wohnung ist lang – besonders, wenn man die Kriterien mancher Vermieter nicht erfüllen kann.

Newspapers in German

Newspapers from Austria