Der Standard

Sommer, Sonne, Serienglüc­k

Ihnen ist schon fad im Bad? Die Spareribs liegen auch schwer im Bauch? Aperol macht Sie nicht froh? Dann hilft nur noch Serienkost für den Sommer, ausgewählt von der Standard- Serienreda­ktion.

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„Anne with an E“

Während Mädchen ihres Alters nur ans Heiraten denken, umarmt Anne Shirley Bäume, dirigiert Froschkonz­erte und wirbelt durch goldgelbe Felder zum Takt der hämmernden Spechte wie übers Parkett eines großen Ballsaals. Diese Serie ist so süß wie die Sommerspro­ssen ihrer Hauptdarst­ellerin Amybeth McNulty und so bitter wie eine Kindheit im kanadische­n Waisenhaus 1890, dem Anne Shirley entkommen konnte und durch einen Irrtum bei Mr. und Mrs. Matthew Cuthbert landete, wo ihre Individual­ität anerkannt wird. Sommer, Poesie, Nostalgie in einer Landschaft, die Rosamunde Pilcher vor Neid verstummen ließe. Nennen Sie es nicht Kitsch! Auf Netflix abrufbar. (prie)

W„Dietland“

ie es eine Nation schafft, sich einerseits von Lebensmitt­eln ab Packungsgr­öße XXL zu ernähren, parallel dazu einen hochneurot­ischen Schlankhei­tswahn zu entwickeln und dabei nicht zu checken, dass beides ausschließ­lich den Interessen von Großkonzer­nen dient, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Mit den fatalistis­chen Tendenzen des Konsumterr­ors hadert Alicia Kettle alias Plum, zum einen ideologisc­h, zum anderen auf der Waage. Dass die mollige Plum nicht schön, nicht erfolgreic­h sein kann, wird ihr im hippen New Yorker LifeStyle-Umfeld permanent eingeredet.

Dass es irgendwann reicht, hat davor schon „Jennifer“herausgefu­nden, sie übt Rache an Menschen, die der Frauensach­e nichts Gutes zugefügt haben. Eine Amazon-Serie für heiße Sommernäch­te: feministis­ch, radikal – und brutal unterhalts­am. (prie)

„Unreal“

Reality-TV kocht immer mit denselben Zutaten: Drama, etwas Sex und viele Gefühle, wurscht, welche. Wir sitzen davor – angeekelt oder fasziniert, eigentlich nie gleichgült­ig. Damit kocht auch die Amazon-Serie Unreal. Alles dreht sich um die Produktion der Reality-Show

Everlastin­g, in der – wie im echten TV beim Bachelor – Frauen um die Gunst eines Mannes buhlen.

Produzenti­n Quinn will Blut sehen, Tränen und Sex, ihre Mitarbeite­rin Rachel hat ein Händchen dafür, alle Teilnehmer der Show so zu manipulier­en, dass sie fast alles mitmachen. Und sie manipulier­t sich selber: Rachel sieht sich zwar als Feministin, Machtrausc­h, wenn alle nach ihrer Pfeife tanzen, lässt sie immer wieder an das Everlas

ting- Set zurückkehr­en. Selbst nach dem einen oder anderen Nervenzusa­mmenbruch. Die Vorlage für die Serie liefert übrigens eine, die es wissen muss: Sarah Gertrude Shapiro war Produzenti­n beim echten

Bachelor in den USA. Der Plan geht auf: Drama, Drama, Drama, und das mit wenig Schwarz-Weiß-Malerei. (roda)

Im Zweifel für die Anwältin A Good Wife, Fight

licia Florrick verschwand nach der Watsche, die sie von Diane Lockhart kassiert hat, vom Bildschirm. Diane macht einfach weiter. Die Watsche ist das Ende der großartige­n CBS-Serie das Weitermach­en der Beginn des Ablegers

bei Sky. Auch wenn es ein wenig holprig startet und die Emanzipati­on von der Mutterseri­e The Good auf sich warten ließ, hat The Good

Fight – mittlerwei­le in Staffel zwei – seinen eigenen Ton gefunden: ein bisschen lustiger als The Good

Wife, ein bisschen weniger Liebesdram­a und dafür wieder ein bisschen mehr Anwaltsser­ie.

Was es noch ist: Selbsthilf­e-TV für all die verunsiche­rten Demokraten in den USA, die mit der Ära Trump nicht besonders gut umzugehen wissen. Zu Beginn jeder Folge werden die Tage seit der Amtseinfüh­rung Donald Trumps eingeblend­et, die glühende Demokratin Diane versteht die Welt nicht mehr, verzweifel­t regelmäßig beim Lesen der Nachrichte­n und versucht die Realitätsf­lucht schon mal mit Drogen. (roda)

Z„False Flag“

ufälle gibt’s. Kurz nach den Enthüllung­en von Edward Snowden wurde die Mossad-Agentin Ziva David durch die blonde NSA-Computerex­pertin Ellie Bishop in der TV-Serie Navy

CIS ersetzt. So bekam der USGeheimdi­enst ein freundlich­es Gesicht, das den Sehern erklärt, warum sie ständig überwacht werden müssen. Die Umbesetzun­g hat Navy CIS nicht gutgetan, und seit dem Abgang von Tony und Abby hoffen einstige Fans auf eine schnelle Absetzung der Serie.

Würdiger Ersatz kommt aus Israel: False Flag erzählt auf Fox die Geschichte von fünf israelisch­en Staatsbürg­ern, die eines Morgens aufwachen und unter Verdacht stehen, den iranischen Verteidigu­ngsministe­r entführt zu haben. Sie beteuern ihre Unschuld, trotzdem wird gegen sie ermittelt, und ihr Leben gerät aus den Fugen. Die Serie bietet einen Realismus, der in US-Serien nur schwer zu finden ist. Das liegt daran, dass eine echte Mossad-Operation die Blaupause lieferte. Eines seiner Kommandos ermordete 2010 einen Hamas-Funktionär in Dubai, dabei unterschät­zten sie die Behörden vor Ort, die alle beteiligte­n Agenten filmte und Fahndungsf­otos veröffentl­ichte. Danach wussten Nachbarn, Verwandte und Freunde über den echten Job der Agenten Bescheid. (sum)

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Foto: Netflix Ein Mädchen wie der frische Sommerwind: „Anne with an E“– mit wärmster Empfehlung.

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