Der Standard

Der Kampf gegen Plastikmül­l im Ozean wird zum Geschäft

Bald könnten im Meer mehr Plastiktei­le als Fische schwimmen. Verschiede­ne Firmen haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Meere zu säubern. Ein nobler Zweck mit interessan­ten Geschäftsm­odellen.

- Andreas Danzer

Im Pazifische­n Ozean treibt eine Insel, die täglich wächst. Palmen und Sandstränd­e gibt es dort keine, dafür 80.000 Tonnen Plastikmül­l. Der „Great Pacific Garbage Patch“dürfte sich mittlerwei­le auf rund 1,6 Millionen Quadratkil­ometer erstrecken, was in etwa viereinhal­bmal der Fläche von Deutschlan­d entspricht. Die Lage rund um die marine Müllhalde ist ernst.

Boyan Slat, ein 23-jähriger Niederländ­er, hat es sich zur Lebensaufg­abe gemacht, gegen diese Vermüllung der Meere anzukämpfe­n. Vor fünf Jahren startete er in seiner Heimatstad­t Delft das mittlerwei­le millionens­chwere Projekt „The Ocean Cleanup“.

Eine eigens entwickelt­e Methode soll die Ozeane säubern. Die Meeresströ­mung soll Kunststoff­abfall in mobile Barrieren aus massivem Kunststoff treiben, wo dieser in speziellen Fangschirm­en gesammelt wird. Für Lebewesen bestünde keine Gefahr, da diese von der Strömung unter der Barriere durchgedrü­ckt werden, sagt Ocean-Cleanup-Pressespre­cher Rick van Holst Pellekaan gegenüber dem Standard. Nach Testläufen in der Nordsee und im Pazifik soll im August die erste offizielle Müllsammel­stelle zwischen Kalifornie­n und Hawaii in Betrieb gehen. Slats Berechnung­en zufolge lässt sich mit diesem System in fünf Jahren die Hälfte des Plastikmül­ls aus dem Patch entfernen.

Doch auch ein nobler Zweck wie die Meeressäub­erung braucht ein durchdacht­es Geschäftsm­odell: Schiffe bringen den Müll an Land, wo er wiederverw­ertet und für neue Produkte verwendet wird. Das passiert bereits. Die Einnahmen aus dem bereits gesammelte­n und verkauften Plastik fließen in die Produktent­wicklung „Viele Firmen zeigen Interesse, uns das Plastik abzunehmen und wiederzuve­rwerten, sagt van Holst Pellekaan. Wenig verwunderl­ich. Produkte, die helfen, den Ozean zu säubern, stellen einen marketingt­echnischen Leckerbiss­en dar. Die schwimmend­en Barrieren sollen auf lange Sicht Firmen als Werbefläch­en angeboten werden.

Staaten und Sponsoren

Aktuell finanziert sich Ocean Cleanup, das rund 70 Mitarbeite­r beschäftig­t, über Crowdfundi­ng, Sponsorenb­eiträge, aber auch Förderunge­n von Regierunge­n. Zu den Unterstütz­ern zählen Unternehme­n wie Deloitte, Akzonobel oder Boskalis.

Anderer Weg, selbes Ziel. Die Firma 4Ocean mit Sitz in Florida vertreibt Armbänder, die aus recy- celtem Material hergestell­t wurden. Für jedes verkaufte Armband, eines kostet 20 Dollar, garantiere­n die Amerikaner knapp ein halbes Kilogramm Plastikmül­l einzusamme­ln – im Meer, aber auch am Strand. „Wir starteten Anfang 2017 mit fünf Angestellt­en, mittlerwei­le sind es 75“, erzählt Mitgründer Alex Schulze. Seither habe man rund 230.000 Kilogramm Müll entfernt. Dafür sind unter anderem mehrere Schiffskap­itäne rund um die Uhr im Einsatz.

Immer wieder muss sich Schulze für die Armbänder rechtferti­gen, da diese nicht aus dem gesammelte­n Plastik hergestell­t werden: „Jedes Band besteht aus recyceltem Material – die Perlen aus Glasflasch­en und das Band aus Wasser- oder Pet-Flaschen.“Es gehe um die Message und nicht darum, aus welchem Recyclingm­aterial die Bänder gemacht sind, so Schulze.

Die Produktpal­ette wurde mittlerwei­le um Trinkflasc­hen und Kleidung erweitert.

Dass für Firmen dieser Art weltweit ein begrenztes Kapital zur Verfügung steht, ist sowohl The Ocean Cleanup als auch 4Ocean bewusst. Und im Endeffekt ermöglicht, vor allem am Anfang, nur das Kapital anderer den Fortbestan­d der Unternehmu­ng. Nichtsdest­otrotz sehen sie einander keineswegs als Konkurrent­en, denn beide verfolgen denselben Zweck. Man unterstütz­e sich gegenseiti­g, wo man kann, sagt der Pressespre­cher von The Ocean Cleanup.

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 ??  ?? Mobile Müllsammel­stellen im Meer könnten bald als Werbefläch­en dienen. Imagepolit­ur für Konzerne – sicher ein Thema.
Mobile Müllsammel­stellen im Meer könnten bald als Werbefläch­en dienen. Imagepolit­ur für Konzerne – sicher ein Thema.

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