Der Standard

Der „große Manipulato­r“hat Europa für sich entdeckt: Steve Bannon will in Brüssel eine Internatio­nale der Nationalen schaffen. Dieses Sammelbeck­en der Illiberale­n soll die Europäisch­e Union von innen heraus zerstören.

- ANALYSE: Christoph Prantner

Für seinen ersten öffentlich­en Auftritt in Europa nach seinem Ausscheide­n als Präsidente­nberater hatte Steve Bannon die Schweiz gewählt. Im Frühjahr 2018 lud ihn die rechte Wochenzeit­schrift Die Weltwoche in die Halle 622 am Bahnhof Zürich-Oerlikon. 1500 Menschen lauschten den Einschätzu­ngen, die er als Mastermind des TrumpTrium­phes zum Besten gab. Für den Mann, der einen schwindlig­en New Yorker Immobilien­hai mit „the real America“verbunden und ihm so zum Weißen Haus verholfen hatte, war klar, dass sich auch das „echte Europa“über kurz oder lang durchsetze­n werde. Den Anfang habe Christoph Blocher ja schon 1992 hier in der Schweiz gemacht, als er den EU-Beitritt seines Landes erfolgreic­h vereitelte. Er sei gewisserma­ßen ein „Trump noch vor Trump“gewesen.

Die Zürcher Rede war Auftakt für eine rege – und erzwungene – Reisetätig­keit Bannons durch ganz Europa. Seine verständni­svolle Haltung für die Täter bei einem von Neonazis in Charlottes­ville, Virginia, angerichte­ten Blutbad mochte ihn im Sommer 2017 seinen Job im Weißen Haus gekostet haben. In echte Schwierigk­eiten geriet „der große Manipulato­r“(Time) aber erst Anfang 2018, als er als Chef des ultrakonse­rvativen Krawallpor­tals Breitbart hinausgewo­rfen wurde, weil er dem Journalist­en Michael Wolff für dessen Enthüllung­sbuch Fire and

Fury Indiskreti­onen über Trump gesteckt hatte. Nunmehr Persona non grata in der amerikanis­chen Rechten, musste sich der Absolvent der Harvard Business School, frühere Investment­banker und Filmproduz­ent neu erfinden – in Europa.

„Schädliche Kraft EU“

Die vorerst jüngste Frucht dieser Bemühungen wurde von Bannon am Montag in London vorgestell­t: die Stiftung Movement. Sie soll in Brüssel angesiedel­t sein, eine Art Internatio­nale der Nationalen in Europa werden und gegen die „Europäisch­e Union, die schädlichs­te Kraft gegen nationalst­aatliche Demokratie­n im Westen“, vorgehen. Die Stiftung verfüge über ein „signifikan­tes Budget“und soll 25 Mitarbeite­r beschäftig­en. Als nacheifern­swertes Modell für sein Movement hat sich Bannon ausgerechn­et die Open Society Foundation des Gottseibei­uns der europäisch­en Rechtspopu­listen, George Soros, ausgesucht.

Mit Rechtsausl­egern, etwa aus Großbritan­nien (dem Brexiteer Nigel Farage) und Frankreich (Emissären des Rassemble- ment National von Marine Le Pen), hat Bannon zuletzt im Londoner Mayfair-Hotel über seine neue Plattform konferiert. Gesinnungs­genossen hat er in den vergangene­n Monaten auch in Ungarn bei einem Auftritt für Viktor Orbán, dem Proponente­n der „illiberale­n Demokratie“, und in Italien getroffen. Vor allem die italienisc­he Regierung aus Lega und dem Movimento 5 Stelle ist für ihn „das schlagende Herz der modernen Politik“. Wenn es dort funktionie­re, sagte er dem US-Nachrichte­nportal The

Daily Beast, dann funktionie­re der Nationalpo­pulismus in der Regierung überall.

Jungstar Marion Maréchal

Die ideologisc­he Verbindung zwischen den vielfach disparaten populistis­chen Bewegungen in Europa ist eine Art Politik des Anti – Antiplural­ismus, Antiglobal­isierung und Antiestabl­ishment. Ihre Haltung ist illiberal und gleichzeit­ig libertär. Seligkeit gibt es für sie nur nach ihrer Fasson, dafür möge sie der Staat unbehellig­t lassen. Der Betriebsst­atus dieser „movements“ist jener der permanente­n Revolte. Sie sind national und ethnozentr­iert, völkisch und vulgär.

Auf dieser Basis sind mannigfalt­ige Ausprägung­en entstanden: Es gibt die rabiaten Souveränis­ten wie der von Bannon erwähnte Blocher. Es gibt Euro-Renegaten wie den früheren tschechisc­hen Präsidente­n Václav Klaus. Es gibt Zyniker wie Orbán, die mit nationalis­tischer Rhetorik ihre Machenscha­ften zudecken. Es gibt selbstverl­iebte Hardcore-Populisten wie Lega-Chef Matteo Salvini und die Personifik­ationen menschenve­rachtender Wiener Niedertrac­ht, wie sie die FPÖ bevölkern. Und es gibt die 29-jährige Enkelin des Front-NationalGr­ünders Jean-Marie Le Pen, Marion Maréchal, die in Lyon eine Art Identitäre­n-Akademie aufbaut. In ihrem Institut des Sciences Sociales Économique­s et Politiques sollen die konservati­ven „Führer von morgen“(Maréchal) „mit intellektu­ellen, kulturelle­n, juristisch­en, technische­n und kommunikat­iven Waffen“ausgestatt­et werden.

Es mag schwierig sein, daraus einen gemeinsame­n Nenner zu finden. Bannon zu unterschät­zen wäre dennoch ein Fehler. Er hat unter Beweis gestellt, dass er in der Lage ist, Bewegungen zu einen. Und falls der Amerikaexp­ort floppt? Niemand sollte sich in Sicherheit wiegen. Über Maréchal sagt Bannon: „Sie ist nicht nur ein aufsteigen­der Stern in Frankreich, sondern einer der beeindruck­endsten Menschen dieser Welt.“Das kann man als Drohung lesen.

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