Der Standard

Schwierige­s IS-Erbe

Österreich betreut in Syrien, Irak Inhaftiert­e

- Markus Sulzbacher

Wien – Unterlagen der irakischen Regierung über interne Dokumente des Islamische­n Staates (IS), die dem STANDARD vorliegen, belegen, dass sich auch österreich­ische Staatsbürg­er dem Terrorregi­me angeschlos­sen und sogar zu Selbstmord­attentaten bereiterkl­ärt haben. Das Außenamt in Wien kümmert sich um Austro-Jihadisten, die im Irak oder in Syrien in Gefängniss­en sitzen. Die diplomatis­che Mission für die Betreuung beziehungs­weise Rückholung der Inhaftiert­en ist heikel, weil die Betroffene­n auch als Gefahr für die innere Sicherheit Österreich­s gelten.

Auch das Außenamt in Deutschlan­d betreut im Ausland inhaftiert­e Landsleute. Im Irak konnte ein Todesurtei­l für einen deutschen IS-Kämpfer in lebenslang­e Haft umgewandel­t werden. (red)

Der Zerfall des sogenannte­n Islamische­n Staats (IS) versetzt das Außenminis­terium in eine unangenehm­e Rolle, die das Haus am Wiener Minoritenp­latz nicht an die große Glocke hängen möchte. Seine Diplomaten müssen sich um Österreich­er und Österreich­erinnen kümmern, die im Ausland in Not geraten. Daher stellt sich diese Aufgabe auch im Zusammenha­ng mit Staatsbürg­ern und Staatsbürg­erinnen, die sich dem IS angeschlos­sen haben und nun in der Krisenregi­on in einem Gefängnis sitzen, nachdem sie von der syrischen oder irakischen Armee verhaftet worden sind.

„Wir werden bei derartigen Fällen aktiv, sobald wir davon in Kenntnis gesetzt werden“, erklärt Matthias Forenbache­r, Pressespre­cher der zuständige­n Ministerin Karin Kneissl (FPÖ) knapp.

Innere Sicherheit

Die Betreuung oder Rückholung von Unterstütz­ern des IS ist politisch brisant, gelten doch Rückkehrer als besondere Gefahr für die innere Sicherheit. Den Behörden in Wien ist etwa „eine Handvoll österreich­ische Personen bekannt, die sich in Syrien und dem Irak in Haft befinden“, heißt es seitens des Innenminis­teriums dazu auf STANDARD- Anfrage. Nachsatz: „Unter den Verhaftete­n sind auch Frauen und Kinder.“Es ist aber durchaus möglich, dass noch weitere österreich­ische Jihadisten und deren Familien gefangen genommen wurden. Weil „es sehr schwer sei, gesicherte Informatio­nen aus den Kampfgebie­ten Syrien und Irak zu erhalten“, betont das Innenminis­terium.

Laut den aktuellste­n Zahlen des Verfassung­sschutzes sind den Behörden 313 aus Österreich stammende Personen bekannt, die sich aktiv am Jihad in Syrien und dem Irak beteiligen oder beteiligen wollten. Davon sind vermutlich 55 Personen in der Region ums Leben gekommen und 94 Personen wieder nach Österreich zurückgeke­hrt. Darunter auch Personen, die eine wichtige Rolle bei der Rekrutieru­ng neuer Anhänger spielten.

Weitere 59 konnten an einer Ausreise gehindert werden. Dazu kamen mehr als 1400 in Österreich lebende Personen, die dem IS zeitweise auf Facebook als Fans folgten.

Dem STANDARD vorliegend­e interne Dokumente des IS, die von der irakischen Regierung Medien zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, dass sich Österreich­er auch zu Selbstmord­attentaten bereiterkl­ärten. In diesen Unterlagen findet sich etwa der Name eines in Tschetsche­nien geborenen Mechaniker­s aus Wien, der gegenüber seinen IS-Kommandant­en angab: „Ich will mich in die Luft sprengen.“Über seinen Verbleib ist nichts bekannt.

Kinder zurückgebr­acht

Von Österreich aus reisten, gemessen an der Bevölkerun­gszahl, vergleichs­weise viele Menschen in die vom IS kontrollie­rten Gebiete, die sich vom Irak bis nach Syrien erstreckte­n. Aus Deutschlan­d sind seit Beginn des Bürgerkrie­gs in Syrien 970 Islamisten ins Kalifat gereist. Davon sind mindestens 92 Männer, Frauen und Kinder in Syrien, dem Irak und der Türkei in Haft.

Die Betreuung der Jihadisten und ihrer Familien übernimmt das Auswärtige Amt in Berlin; mehrfach haben Diplomaten und Beamte des Bundeskrim­inalamts Gefangene besucht.

Einige der deutschen Islamisten wurden bereits zu Gefängniss­trafen verurteilt oder, wie im Fall einer mutmaßlich­en IS-Anhängerin aus Mannheim im Irak, zum Tode. Nach Interventi­on der deutschen Regierung wurde das Urteil in eine lebenslang­e Haftstrafe umgewandel­t. Erst kürzlich gab es Berichte, wonach Kinder von ISKämpfern nach Deutschlan­d ausgefloge­n und bei deren Verwandten untergebra­cht wurden.

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Dieses Bild vom Dezember 2017 zeigt mutmaßlich­e IS-Kämpfer in einem provisoris­chen Gefängnis in Mossul. Auch heimische Jihadisten befinden sich im Irak und in Syrien in Haft.

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