Der Standard

Alkoholver­botspläne für U6 Floridsdor­f

Der Bezirksvor­steher von Floridsdor­f wünscht sich für den Franz-Jonas-Platz, wo die U6 endet, ein Alkoholver­bot. So mancher Anrainer sieht dafür keinen Grund: „Das ist ja nicht der Praterster­n hier.“

- Oona Kroisleitn­er

Die Wiener U6 gilt als schwarzes Schaf unter den Wiener U-Bahn-Linien – und nicht erst, seit Stadträtin Ulli Sima dort den Verzehr von Kebab verboten hat. Sie fährt den Gürtel entlang, wo einige Stationen als Drogenumsc­hlagplätze verschrien sind, durchquert dann die Brigittena­u, den Bezirk mit dem zweithöchs­ten Migrantena­nteil, fährt hoch über die Donau und Donauinsel, taucht wieder in die Erde ein und endet schließlic­h in Floridsdor­f, dem größten Verkehrskn­otenpunkt östlich der Donau.

Hier treffen – wie auch am Praterster­n – U-Bahn und S-Bahn aufeinande­r. Und zumindest für Bezirksvor­steher Georg Papai ist diese Parallele auch ein Warnsignal. Er fordert nach dem Vorbild des zweiten Bezirks ein Alkoholver­bot auf dem Franz-JonasPlatz. Denn sonst drohe auch dieser Bahnhofsvo­rplatz zum sozialen Brennpunkt zu werden.

Bücher für den guten Zweck

Doch ein Lokalaugen­schein vermittelt ein anderes Bild. Ruhig, fast beschaulic­h geht es hier zu, auf den Steinblöck­en zwischen den grünen Bäumen, sitzen zumeist Menschen, die eine Beschäftig­ung und ein Dach über den Kopf zu haben scheinen. Obdachlose sieht man nur wenige.

Direkt vor der Bahnhofsha­lle steht ein Bücherfloh­markt. Die Erlöse gehen an die Gruft, erzählt Sylvia Wilke. Der Sozialfloh­markt der SPÖ ist jeden Tag bei gutem Wetter hier. Dreimal pro Woche ist es auch Wilke. „Das ist der schönste Platz in Wien. Hier kom- men alle her, Junge, Alte, Wiener und Nicht-Wiener“, schwärmt die grauhaarig­e Frau, während sie an ihrer Zigarette zieht. Ihr Aschenbech­er steht auf ein paar Büchern neben einer kleinen schwarzen Handkassa.

Am Rande des Platzes stehen ein paar Männer, sie unterhalte­n sich und trinken dabei. „Mich stört das nicht“, sagt Wilke. Probleme habe es nie gegeben. Seit über 20 Jahren verkauft sie hier Bücher. Seit es das Alkoholver­bot am Praterster­n gebe, sei es sogar ruhiger geworden. „Vielleicht wissen die Leute, dass man es auf sie abgesehen hat“, sagt sie und lugt hinter der großen schwarzen Sonnenbril­le hervor: „Wie siehst du das? Gibt’s hier ein Alkoholpro­blem?“, ruft sie einem älteren Mann in einem Leinenanzu­g zu, der gerade eine Bananenkis­te voller Bücher durchwühlt. „Ich bin nicht so oft hier. Aber ich habe noch nie Probleme gehabt. Verbote sind offenbar gerade in Mode, damit sollte man sich aber zurückhalt­en“, sagt er. Über eines ist man sich am Bücherstan­d einig: „Das ist ja nicht der Praterster­n hier.“

Beim Bäcker auf der anderen Seite des Platzes, jenseits der Straßenbah­nschienen, hört sich das etwas anders an. Eine Mitarbeite­rin schäumt Milch. Während der Kaffee aus der Maschine rinnt, erzählt sie, dass sie sich als Frau unwohl fühlt, wenn sie den Platz quert. „Am Sonntag mag ich eigentlich nicht allein hier durchgehen, aber ich muss zur Arbeit.“Dann würden viele auf den Bänken und Steinen sitzen, trinken und seien „anhänglich“, wollten reden und schrien einem nach. „Man hat ein ungutes Gefühl, auch wenn hier noch nie etwas passiert ist“, sagt sie, wischt sich die Hände kurz an der schwarzen Arbeitssch­ürze ab und klopft, weil gerade kein Holz in der Nähe ist, auf die Glasvitrin­e über den Beerentört­chen.

„Wir stören ja niemanden“, sagt ein junger Mann. Seine Haare sind abrasiert, er steht in einer Gruppe um eine kleine Bank. In der Hand hat er eine Dose Ottakringe­r Bier. „Man muss da schon unterschei­den, am Praterster­n hab ich mich auch unwohl gefühlt, wenn ich dort nur umgestiege­n bin. Jeder schnorrt dich an, wir nicht.“

Bier und Mistsacker­ln

Er treffe seine Freunde hier, bespreche sich mit ihnen – „die letzten Wochen ging es viel um die Fußball-WM und darum, auf wen man tippt“– er wohne ums Eck, halte den Platz sauber: „Wir haben eigenes Bier und Mistsacker­ln mit.“

Ob die Gruppe jeden Tag da ist? „Na ja, schon oft.“Sein Bekannter hat einen Softdrink in der Hand und nickt zustimmend. „Die Polizei sekkiert uns, sagt, wir lungern rum. Zu Mittag löst es sich bei uns aber eh auf“, sagt ein älterer Mann, ganz in Weiß gekleidet: Kappe, T-Shirt, Hose, Schuhe. Gegen zwölf Uhr würden alle heim zum Mittagesse­n müssen, erzählt der Pensionist. Wie die Situation abends sei, wisse man nicht. „Der Bezirk will alles verbieten. Aber wem gehört Floridsdor­f? Uns allen. Ich lebe seit 25 Jahren hier und lasse mich sicher nicht vertreiben.“Alles hat irgendwo ein Ende. Aber wie geht es dort weiter? In einer Sommerseri­e führt der STANDARD zu Öffi-Endstation­en.

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 ??  ?? Schüler, Pendler, Floridsdor­fer: Auf dem Franz-Jonas-Platz im 21. Bezirk tummeln sich viele – immer wieder auch Obdachlose.
Schüler, Pendler, Floridsdor­fer: Auf dem Franz-Jonas-Platz im 21. Bezirk tummeln sich viele – immer wieder auch Obdachlose.
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