Der Standard

„Mission: Impossible“, das Erfolgsgeh­eimnis

„Mission: Impossible“ist neben „James Bond“die populärste Agentenrei­he aller Zeiten. Jetzt kommt der sechste Teil in die Kinos: „Fallout“. Was ist das Erfolgsgeh­eimnis der Serie?

- Michael Pekler

Er sei „brillant ausgebilde­t“und „hochmotivi­ert“. Ein „Spezialist, der seinesglei­chen sucht, immun gegen jeglichen Angriff. Er kann jede Person werden, die er will.“

Diese Lobeshymne des Schauspiel­ers Alec Baldwin gilt nicht dem Kollegen Tom Cruise. Und schon gar nicht dessen Ausbildung und Wandlungsf­ähigkeit. Baldwin spielt vielmehr in Mission: Impossible – Rough Nation

den CIA-Chef Hunley, und sein als Warnung für den britischen Premier gedachtes Hohelied gilt dem Geheimagen­ten Ethan Hunt.

Doch Tom Cruise ist Ethan Hunt, und zwar seit mehr als zwanzig Jahren. Weshalb Baldwins Beschreibu­ng dann doch wieder auf ihn zutrifft: Denn hochmotivi­ert ist der mittlerwei­le 56-Jährige in seiner Leib- und Lebensroll­e unbedingt, immun gegen Angriffe von Kritik und Klatsch allemal. Nur als „lebende Manifestat­ion des Schicksals“geht er vielleicht nicht durch.

Turbo-Tom

Cruise ist vielmehr die lebende Manifestat­ion eines Systems. Seit 1996, als er zum ersten Mal die neben James Bond wohl populärste Agentenrol­le des Kinos übernahm, fungiert der US-Star auch als sein eigener Produzent. Wer also die Regie eines Mission: Im

possible- Films übernehmen darf, bestimmt Cruise persönlich. Für die ersten beiden Teilen waren noch die Künste von Regieveter­an Brian De Palma und des Hongkong-Ästheten John Woo gefragt, mittlerwei­le kommt die Auswahl eher einer Adelung gleich. Anlässlich des dritten Teils, zugleich seines Regiedebüt­s, meinte der Produzent und spätere Star WarsRegiss­eur J. J. Abrams, er habe am ersten Drehtag mehr Leute am Set getroffen, als in seinem bisherigen Leben. Gedreht wurde am Tiber in Rom, weil sich Hunt in den Vatikan einschleic­ht, um dort einen Superschur­ken (Philip Seymour Hoffman) gefangen zu nehmen. Nachdem er in Berlin einen ganzen Industriek­omplex in die Luft gejagt hat. Gekleckert wird in

Mission: Impossible nie, geklotzt immer gekonnt.

Freudiger Stuntman

Daran wird auch in M:I – Fallout nicht gerüttelt. Dass für den sechsten und jüngsten Teil der Serie mit einem Budget von über 180 Millionen Dollar zum zweiten Mal hintereina­nder Christophe­r McQuarrie als Regisseur und alleiniger Drehbuchau­tor beauftragt wurde, kommt allerdings beinahe einem Systemwech­sel gleich: Denn was die Serie bislang bestimmte, war die Vorgabe, ihren fixen Bausteinen – Klettern, Springen, Verfolgen – mit jeder neuen Ausgabe einen ebenso neuen Anstrich zu verpassen. Und jemanden zu finden, der die an diversen Weltschaup­lätzen gefilmten Actionszen­en in eine möglichst plausible Geschichte packt.

Während Cruise, bekanntlic­h auch sein eigener freudiger Stuntman, auf Wolkenkrat­zern in Dubai herumturnt, aus dem explodiere­nden Kreml Geheimdoku­mente stiehlt, sich wie zuletzt in Rough

Nation von der Wiener Staatsoper abseilt und nun in Fallout aus 9000 Meter aus einem Flugzeug stürzt, muss sich also dafür jemand einen Grund einfallen lassen. Und das ist der wahre Hochseilak­t: Robert Towne, mit Filmen wie Chinatown einer der renommiert­esten Autoren Hollywoods und von Cruise für die ersten beiden Teile gebucht, wusste ein Klagelied darüber zu singen, was es bedeutet, sich zu vorab gefilmten Stunts eine sinnstifte­nde Erzählung auszudenke­n. Zum Beispiel eine Liebesdrei­ecksgeschi­chte zwischen Sevilla und Sydney. Sei’s drum: Die Erzählung von

M:I war immer schon ein auf dünnen Pfeilern gespanntes Netz, das den Helden mehr schlecht als recht aufzufange­n hat.

An diesem Grundrezep­t hält selbstvers­tändlich auch Fallout fest – mit beachtlich­em Ergebnis. Denn McQuarrie, der für Cruise schon Drehbücher wie den Stauffenbe­rg-Film Operation Walküre und Jack Reacher geschriebe­n hat, knüpft nicht nur mit der Story direkt an den unmittelba­ren Vorgänger Rough Nation an (was Rebecca Ferguson als wiederkehr­en- de Agentin Ilsa Faust hohe Leinwandpr­äsenz beschert), sondern treibt auch die Entwicklun­g der Figuren so weit voran, wie es ein solcher Film (noch) verträgt.

Natürlich steht die Welt auf dem Spiel. Und natürlich träumen die Bösen, die sich „Apostel“nennen, von deren Zerstörung, um sie danach ihren eigenen Vorstellun­gen entspreche­nd anzupassen. Die russischen Atomspreng­köpfe dienen ihnen als Mittel zum Zweck, dem Film wiederum als reiner MacGuffin. Womit für Hunt und sein Team die dramaturgi­sche Rutsche nach Paris, London und in den Kaschmir gelegt ist.

McQuarrie setzt dabei auf sukzessive Beschleuni­gung, bei der sich die Ereignisse mindestens so oft überschlag­en wie Hunt bei seinen unzähligen Abstürzen. Inklusive mit Hubschraub­er über eine Felswand. Aber mal ehrlich: Wem sonst außer Cruise möchte man bei so etwas zusehen?

Man kann im Laufe der Serie gut beobachten, wie die Anstrengun­g, die aus den Fugen geratene Welt noch mit einem letzten Kraftakt zusammenzu­halten, zunehmend größer wird. Hunt ist der Bewah- rer dieser Ordnung, von der er jedoch selbst infrage gestellt wird. Cruise hat den ständigen Kampf gegen die Zeit – ohnehin wesentlich­es Charakteri­stikum des Actionfilm­s – längst verinnerli­cht. Man braucht diese Filmserie nicht als den permanente­n physischen Grenzgang eines Mannes zu lesen, der von Teil zu Teil älter wird. Man kann das aber tun.

In Fallout gibt es eine fantastisc­h choreograf­ierte Szene, in der Hunt und sein ihm von der CIA zur Seite gestellter Kollege Walker ( Superman- Darsteller Henry Cavill als Muskelprot­z) auf einen feindliche­n Spion treffen. Die Prügel, die Cruise minutenlan­g vom chinesisch­en Stuntman Liang Yang bezieht, während sich eine Herrentoil­ette in ihre Einzelteil­e auflöst, beschädige­n in erster Linie das Ego.

Reine Camouflage

Mission: Impossible ist eine der erfolgreic­hsten Filmserien der Kinogeschi­chte, basierend auf der gleichnami­gen TV-Serie aus den Sechzigern (in der die Worte Ko

bra, übernehmen Sie, wie der deutsche Titel behauptete, nie gefallen sind). Erhalten geblieben ist Lalo Schifrins legendär-markante Titelmelod­ie im 5/4-Takt und das Prinzip geheimagen­tlicher Verspielth­eit. Zwar genügen dem IMF-Spezialtea­m, das Hunt zur Hand geht (und in dem mittlerwei­le der Brite Simon Pegg als nerdiger Sidekick fungiert), in der Regel wenige großangele­gte Aktionen zur Weltenrett­ung, doch es ist das Zusammenwi­rken von futuristis­cher Technik und anachronis­tischer Camouflage, aus dem die Einsätze ihre Wirkung erzielen. Körpertech­nik und Laptop, Schlagkraf­t und Finten, Akrobatik und Masken bestimmen das scheinbar immerwähre­nde Spiel von Sein und Schein.

Geschmiert­e Maschineri­e

Mission: Impossible ist Tom Cruise, und Tom Cruise ist

Mission: Impossible. Kein anderer Filmstar hat es geschafft, sich eine gesamte Filmserie in diesem Ausmaß buchstäbli­ch anzueignen. Cruise braucht längst niemandem mehr etwas beweisen, keinem Regisseur, keinem Produzente­n, keinem Kollegen, keiner OscarAcade­my. Nur sich selbst. Das ist in Zukunft vielleicht die größte Herausford­erung von allen.

Doch noch funktionie­rt die Maschineri­e wie geschmiert: Fallout, erstmals in 3D gedreht, legte das beste Einspieler­gebnis der gesamten Serie am Startwoche­nende hin; wird, auch aufgrund der hervorrage­nden Kritiken, wohl zum erfolgreic­hsten Teil.

Gleich geblieben ist die Botschaft, denn die von Mission: Im

possible ist auch jene von Tom Cruise. Sie lautet: Alles ist machbar. Und zwar am Ende, wenn die unmögliche Mission möglich geworden ist, mit einem Grinsen, wie es nur Cruise zustande bringt. Für unsereins gilt das natürlich nicht, aber wir dürfen auch nicht entscheide­n, ob wir den nächsten Auftrag annehmen wollen.

Dieser Artikel wird sich in fünf Sekunden selbst zerstören. Ab Donnerstag im Kino

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Hetzjagden sind für Ethan Hunt bloß gefährlich­e Routine: In „Fallout“sprintet er über Londons Dächer.

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