Palästinenser diskutieren, ob sie in Jerusalem mitreden wollen
Aus Protest haben palästinensische Bewohner Jerusalems bisher kaum an Kommunalwahlen teilgenommen – nun soll sich das ändern
Ramadan Dabash plant die Revolution. Der 51-Jährige will demnächst in Jerusalems Stadtrat sitzen. „Jerusalem den Jerusalemern“heißt die Liste, mit der er als Vorsitzender bei den Kommunalwahlen im Oktober antreten will. Sein Plan wäre nicht ungewöhnlich, wäre Dabash nicht arabischer Jerusalemer: Seit der Eroberung des Ostteils durch Israel während des Sechstagekrieges im Jahr 1967 hat die arabische Bevölkerung nicht an Kommunalwahlen teilgenommen – als Zeichen, dass sie die Besetzung und Annexion nicht anerkennen.
Dabei wäre es für viele die einzige Chance, politisch mitzumischen. Denn nach der Eroberung der Stadt erhielten die arabischen Bewohner nur eine Aufenthaltserlaubnis, keine Staatsbürgerschaft. Die meisten sind also keine Israelis und dürfen nur auf kommunaler Ebene wählen.
Dabash will das nun ändern: „51 Jahre lang erhalten wir nicht genügend Serviceleistungen, haben nicht genug Schulen. Wir brauchen Schwimmbäder, Spielplätze, nichts haben wir. Ostjeru- salem ist wie eine Wüste. Deshalb müssen wir in den Stadtrat“.
Derzeit ist er Mukhtar, also Ortsvorsteher, des Stadtteils Sur Baher. Er ist Ansprechpartner für die Bewohner, weiß von ihren Sorgen, ihren Hoffnungen. Als Bauingenieur kennt er ein weiteres Problem: Es gibt zu wenig Baugenehmigungen für die arabischen Einwohner. Rund 20.000 Wohnungen sind in den vergangenen Jahren illegal entstanden.
Einigen Palästinensern, darunter Vertretern der Autonomiebehörde, ist sein Aktionismus ein Dorn im Auge. Sie sprechen von Normalisierung – ein Schimpfwort: Normale Beziehungen zu Israel dürfe es nicht geben, es müsse Widerstand geleistet werden.
Auch PLO-Generalsekretär Saeb Erekat sagt, dass er gegen eine Teilnahme an Wahlen in der „besetzten Stadt“ist, weil das die „illegale Besatzung“legitimiere.
Fatwa gegen den Antritt
Kürzlich erstellte der oberste palästinensische Fatwa-Rat gar ein Rechtsgutachten, das Teilnahme und Kandidatur bei Kommunalwahlen religiös verbietet. Jene, die schon eine Kandidatur ver- suchten, zogen diese wieder zurück. Sie wurden bedroht, das Auto eines Kandidaten angezündet. Dabash ist sich dessen bewusst: „Auch ich werde bedroht, man schickt mir Leute, die mich überzeugen sollen, es sein zu lassen.“Doch Dabash sagt, er habe keine Angst. Um das Risiko zu verringern, Wähler zu vergraulen, lässt er die Finger von Themen wie Besatzung und Siedlungen. Ihm geht es nicht um die große Politik, sondern um Lebensbedingungen. „51 Jahre lang hat sich keiner gekümmert“, sagt er. „Die Menschen sind bereit für ein neues Leben.“