Der Standard

Deutschför­derklassen laut Experten segregiere­nd

Kritik an Entwürfen für neuen Lehrplan: Pädagogisc­he Ziele seien so nicht erreichbar

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Wien – Kein einheitlic­her Schulreife-Test, kein verpflicht­ender Lehrplan – noch bietet der soeben in Begutachtu­ng gegangene neue Deutschkla­ssenlehrpl­an Spielraum für die einzelnen Schulstand­orte (der STANDARD hat berichtet). Was jetzt freiwillig umgesetzt werden kann, ist ab dem Schuljahr 2019/20 Pflicht. Dann soll es auch eine einheitlic­he Testung bei der Schulreife geben.

Dass jetzt ein Jahr lang die Schulen den Lehrplan freiwillig umsetzen können, zeige, dass dem „Sachversta­nd doch ein gewisser Stellenwer­t eingeräumt wird“, findet der Erziehungs­wissenscha­fter Ferdinand Eder. Die Schulstand­orte würden schließlic­h am besten wissen, welche Förderung Schüler brauchen. Gleiches gelte in der Frage, „was in den anderen Fächern im Hinblick auf den Unterricht in der Stammklass­e gelernt werden soll“.

Der Sprachwiss­enschafter Hannes Schweiger von der Universitä­t Wien, der sich auf Deutsch als Zweitsprac­he spezialisi­ert hat, erkennt im neuen Lehrplan „viele positive Aspekte“, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. So wird in einer Verordnung, die noch bis zum 24. August in Begut- achtung ist, wie berichtet explizit auf die Verschränk­ung von sprachlich­em und fachlichem Lernen hingewiese­n.

Im künftigen Lehrplan werden die Pädagogen angewiesen, das „gesamte sprachlich­e Repertoire“der Schüler einzubezie­hen, auch von der Wichtigkei­t „sprachsens­iblen Unterricht­s in allen Fächern“ist die Rede. Das Bildungsre­ssort sieht die Sprachförd­erung also als „Teamarbeit“auch in Zusammenar­beit mit „mutterspra­chlichen Lehrkräfte­n“, wie es in dem am Freitag vorgelegte­n Entwurf heißt.

Teamarbeit als Schlüssel

All das sei sehr zu begrüßen, meint Schweiger. Die große Frage sei aber, wie diese Grundsätze vom Lehrperson­al in der Praxis unter den vorgegeben­en Rahmenbedi­ngungen umgesetzt werden sollen. An den grundlegen­den Kritikpunk­ten, die er und zahlreiche andere Wissenscha­fter in einem offenen Brief im Zusammenha­ng mit den separaten Deutschför­derklassen geübt haben, ändere sich nämlich nichts, meint Schweiger. So seien die hehren pädagogisc­hen Ziele nicht erreichbar, wenn, wie geplant, mit durchschni­ttlich 18 Schülern und Schülerinn­en in diesen Klassen gerechnet werde. Maximal seien sogar 25 Kinder aus mehreren Schulstufe­n möglich.

Sprachförd­erung als Teamarbeit klinge zwar gut, tatsächlic­h fehle es aber an Maßnahmen zur Fort- und Weiterbild­ung sowie an zusätzlich­en Mitteln. Für ihn bleibt daher die Befürchtun­g, dass die Deutschkla­ssen „eher segregiere­nd als integriere­nd wirken“.

In diese Richtung argumentie­rt auch Schulforsc­her Eder. Man müsse nicht über den Lehrplan streiten, sondern darüber ob Deutschför­derklassen sinnvoll sind. Er lehnt sie ab und sagt: „Ich kenne niemanden, der dieses derart starre Modell, das für ganze Semester gelten soll, gut findet.“Außerdem werde organisato­risch vieles noch nicht diskutiert: Wie schaut es am Ende einer Deutschkla­sse mit der Rückführun­g aus, fragt sich Eder. Sind in den Stammklass­en Plätze für die Rückkehrer reserviert oder nicht? Ähnliches gilt für die Benotung: Wie werden sie dann beurteilt? In vielen Fällen sei ein „Nicht genügend“programmie­rt.

Was „irritieren­d anmutet“: Im Lehrplan werden vier Lernbereic­he definiert, einer davon nennt sich „interkultu­relle Handlungsf­ähigkeit“. Eder: „Zuerst werden die Kinder aus dem kulturelle­n Verband herausgelö­st, um dann dieses Lernziel umsetzen zu wollen. Das klingt ein bisschen nach Trockensch­wimmkurs.“

In Niederöste­rreich hat die FPÖ am Dienstag ein neues Sprachkurs­programm vorgestell­t. Ab September wird in Wiener Neustadt mit Fördermaßn­ahmen sehr früh angesetzt: nämlich bei den Zwei- bis Sechsjähri­gen. 1000 Kursplätze soll es geben. (go, pm)

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Foto: Corn Setzt Deutschför­derklassen um: Bildungsmi­nister Heinz Faßmann.

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