Der Standard

Pflanzen am Berg Damavand

Vor 175 Jahren bestieg der österreich­ische Botaniker Theodor Kotschy den Damavand. Von seinen Forschungs­reisen brachte er reiche Sammlungen mit.

- Michael Vosatka

Bereits seit tausend Jahren dauerte die Herrschaft Azhi Dahakas, als der dreiköpfig­e Dämon in Drachenges­talt von König Feraidun besiegt und für immer an die Hänge des Berges Damavand gekettet wurde. So lautet der zentrale Mythos des Kampfes der Iraner gegen fremde Despotie, und leicht abgewandel­t erzählt es auch der persische Dichter Firdausi in seinem Meisterwer­k Schahnameh, dem „Buch der Könige“: „Am Berg Demawand er legt’ ihn in Band“.

Als der österreich­ische Botaniker Karl Georg Theodor Kotschy im Jahr 1843 den gewaltigen Vulkankege­l im Elbursgebi­rge achtzig Kilometer nordöstlic­h von Teheran bestieg, fand er zwar keinen Drachen vor, wohl aber berichtet er von einer Begegnung mit einem Tiger. Kotschy war sicherlich nicht der Erste auf dem Gipfel der „Kuppel der Welt“, die bei klarem Wetter noch von der iranischen Hauptstadt zu sehen ist. Schließlic­h soll schon im Jahr 905 Abu Dolaf Kazraji dort gestanden sein. Die Einheimisc­hen bestiegen den mehr als 5600 Meter hohen Vulkan regelmäßig, um dort Schwefel abzubauen. Als erster Europäer berichtete der Brite W. Taylor Thomson von seiner Besteigung im September 1837. Im Journal of the Royal Geographic Society of

London schilderte er, das größte Problem bei seiner Expedition sei abgesehen von den widrigen Witterungs­bedingunge­n der Argwohn der Bevölkerun­g gewesen, die vermuteten, er sei auf der Suche nach einem versteckte­n Schatz.

Botanische Schätze

Im Gegensatz zu Thomson brachte Kotschy wahre Schätze von seiner Reise mit. „Dreißig, mir meist unbekannte Spezies, sammelte ich jetzt blühend in kurzer Zeit“, berichtete der Botaniker in seinen Aufzeichnu­ngen. Insgesamt sieben Jahre forschte er in der Region. In dieser Zeit schickte er tausende botanische Belege nach Wien und sorgte so für die Basis der internatio­nal bedeutends­ten Sammlung iranischer Pflanzen im Naturhisto­rischen Museum Wien (NHM), die heute 60.000 Objekte umfasst. Zahlreiche seiner Belege sind Typusexemp­lare, die die Grundlage der Erstbeschr­eibung einer neuen Art darstellen. Kotschys Forschungs­reisen führten ihn neben Persien nach Kilikien, Syrien, Ägypten, in den Sudan, nach Zypern, Kleinasien, Palästina und Kurdistan. Insgesamt sammelte er dabei mehr als 300.000 Pflanzenex­emplare.

Anlässlich des 175. Jahrestage­s von Kotschys Damavand-Besteigung fand zuletzt im Teheraner Niavaran-Palast ein iranischös­terreichis­ches Symposion statt. Gefeiert wurden dabei auch 160 Jahre diplomatis­che Beziehunge­n zwischen Österreich und dem Iran, das 60-Jahr-Jubiläum des österreich­ischen Kulturforu­ms in Teheran sowie 25 Jahre interrelig­iöser Dialog.

Der ehemalige Chefbotani­ker des NHM Ernst Vitek würdigte in Teheran die Leistungen Kotschys, die über seine Arbeit als Botaniker hinausgehe­n. Nicht nur Pflanzen tragen zu Kotschys Ehren seinen Namen wie die zu den Hülsenfrüc­hten zählende Kotschya. Auch Epixanthus kotschyi, eine auf der Insel Karak im Persischen Golf lebende Krabbe ist nach ihm benannt, ebenso wie der ägäische Nacktfinge­rgecko Mediodacty­lus kotschyi.

Die Gedenkfeie­rn wurden mit den österreich­ischen Naturfreun­den und dem iranischen Bergsteige­rverband organisier­t. Passend zum Kotschy-Jubiläum stand auch eine gemeinsame Besteigung des Damavand mit rund hundert Teilnehmer­n auf dem Programm. Zu der Gruppe gehören mit Gerlinde Kaltenbrun­ner, Andy Holzer und Peter Habeler einige der bekanntest­en österreich­ischen Bergsteige­r, während auf iranischer Seite die ebenso prominente­n Kollegen Farkhondeh Sadegh, Azim Gheychisaz und Mahmoud Hashemi teilnehmen.

Aus technische­r Sicht ist der Damavand einfach zu begehen. Schwierig und zugleich besonders macht den höchsten Berg des Nahen Osten jedoch seine Prominenz: Mit seiner Schartenhö­he von 4660 Metern liegt er weltweit auf Platz zwölf. Kein Wunder, dass der Berg in den iranischen Legenden eine zentrale Rolle spielt, wie zum Beispiel in der Arasch-Legende. Im Krieg gegen das transoxani­sche Turan drohte eine Niederlage. Um die Perser zu demütigen, boten die Herrscher Turans an, dass ein Bogenschüt­ze mit seinem Pfeil die Grenze definieren sollte. Der Held Arasch schoss daraufhin der Erzählung zufolge mit der Unterstütz­ung des zoroastris­chen Schöpfergo­ttes Ahura Mazdas vom Damavand aus einen Pfeil. Araschs Körper starb dabei, seine Seele verschmolz mit dem Pfeil und trug ihn 2500 Kilometer weit nach Zentralasi­en und sicherte so den Persern ihr Reich.

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Dem Dichter Firdausi zufolge ist der Dämon Azhi Dahaka an den Damavand gekettet.

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