Der Standard

BMW baut neues Werk in Ungarn

BMW folgt Audi und Mercedes und wird ebenfalls ein Autowerk in Ungarn eröffnen. Gut eine Milliarde Euro will der deutsche Konzern für sein neues Werk in Debrecen ausgeben. Fachkräfte zu finden wird nicht ganz leicht.

- Gregor Mayer aus Budapest

Gut 14 Monate lang haben Ungarns Regierung und die Münchener Autobauer diskret miteinande­r verhandelt, am Dienstag ließ man die Katze aus dem Sack. BMW baut nahe der ostungaris­chen Großstadt Debrecen ein neues Werk und investiert eine Milliarde Euro. Mehr als 1000 Mitarbeite­r sollen jährlich bis zu 150.000 Fahrzeuge mit Elektround Hybridantr­ieben, aber auch mit klassische­n Verbrennun­gsmotoren produziere­n, teilten die Konzernfüh­rung in München und Ungarns Außenminis­ter Péter Szijjártó in Budapest zeitgleich der Öffentlich­keit mit.

Die Bauarbeite­n sollen in gut einem Jahr beginnen. Wann das Werk in Betrieb geht und welche BMW-Modelle dann dort hergestell­t werden, sei noch offen, sagte ein BMW-Sprecher. Keine Angaben gibt es dazu, mit welchen steuer- oder subvention­spolitisch­en Anreizen die Budapester Regierung die Münchener nach Debrecen gelockt hat. Der Standort setzte sich gegen zahlreiche andere Bewerber, vor allem in der Slowakei und in Rumänien, durch.

Jedenfalls ist es das erste Autowerk, das BMW seit zwei Jahrzehnte­n innerhalb der EU errichten wird. „Die Entscheidu­ng für ein neues Werk unterstrei­cht die weltweite Wachstumsp­erspektive der BMW Group“, erklärte Vorstandsc­hef Harald Krüger. „Nach hohen Investitio­nen in China, Mexiko und den USA stärken wir nun den Standort Europa und damit die globale Balance unserer Produktion zwischen Asien, Amerika und Europa.“

Die plötzliche Besinnung auf die „globale Balance“und die daraus abgeleitet­e Entscheidu­ng für einen mitteloste­uropäische­n Standort dürften Experten zufolge auf die jüngsten Unwägbarke­iten im Welthandel­sgefüge zurückzufü­hren sein, darunter die von den USA angedrohte­n Zollkriege. „Es sieht ganz danach aus, dass diese Entscheidu­ng von Risikomini­mierung und Kostenopti­mierung getragen ist“, zitierte Bloomberg den Analysten Jürgen Pieper vom Frankfurte­r Bankhaus Metzler. „Westeuropa ist zu teuer, Mexiko und (das vor dem Brexit stehende) Großbritan­nien sind voller Zollrisike­n, und das US-Werk (von BMW) ist bereits riesengroß.“

Hinzu kommt, dass Ungarn – wie auch die 2004 der EU beigetrete­nen mitteloste­uropäische­n Länder Tschechien und Slowakei – schon seit langem ein präferiert­er Standort globaler Autoherste­ller ist. 1991 ließ sich Suzuki mit einem Werk in Esztergom bei Budapest nieder, 1992 Opel in Szentgotth­árd nahe der österreich­ischen Grenze, 1993 Audi im west- ungarische­n Györ und 2012 Mercedes im südungaris­chen Kecskemét. Audi investiert­e in Ungarn mehr als acht Milliarden Euro, der Export allein dieses Unternehme­ns macht neun Prozent der ungarische­n Ausfuhren aus. Mercedes stieg zunächst mit Investitio­nen in Höhe von 800 Millionen Euro ein und kündigte im Juni an, eine weitere Milliarde Euro ins Werk Kecskemét zu stecken und dessen Ausdehnung und Produktion­skapazität­en damit praktisch verdoppeln zu wollen.

Mit BMW tritt nun in Ungarn ein weiterer großer Player der globalen Kfz-Industrie auf den Plan. Doch anders als noch vor zehn oder 20 Jahren herrscht heute in Ungarn ein Mangel an qualifizie­rten Arbeitskrä­ften. Insofern ist es kein Zufall, dass die Münchener ins ostungaris­che Debrecen ziehen. Im struktursc­hwächeren Osten hofft man eher, die benötigten Fachkräfte rekrutiere­n zu können.

Doch auch die Technologi­e schreitet voran. Während Mercedes in Kecskemét mit mehr als 4000 Mitarbeite­rn rund 200.000 Fahrzeuge im Jahr produziert, peilt BMW mit nur 1000 Mitarbeite­rn die Fertigung von 150.000 Autos im Jahr an. Eine durchgängi­gere Automatisi­erung der Produktion­svorgänge soll das möglich machen.

Ungarns Regierung verbuchte die Standorten­tscheidung der Münchener als Erfolg für sich. „Einer der größten, erfolgreic­hsten und modernsten Autoherste­ller der Welt hat Ungarn gewählt“, freute sich Außenminis­ter Szijjártó. Eine kleine Kehrseite gibt es aber: Unabhängig­e Experten geben zu bedenken, dass sich Ungarn in hohem Maße vom Wohl der globalen Kfz-Branche abhängig gemacht hat. Zwischen 2001 und 2017 erhöhte sich der Anteil der Kfz-Industrie am ungarische­n Bruttoinla­ndsprodukt von zehn auf 20 Prozent. Jeder Einbruch könne die Volkswirts­chaft eines Landes, das dermaßen von Kfz-Exporten abhängig ist, leicht in eine prekäre Lage bringen, schrieb das Nachrichte­nportal G7.24.hu.

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BMW auf dem Hungarorin­g. Ungarn entwickelt sich zusehends zum Hub für internatio­nale Automobilk­onzerne.
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