Der Standard

Geheime Promieinbü­rgerungen

Innenminis­terium prüft Veröffentl­ichung der Namen

- Katharina Mittelstae­dt

Wien – Die Regierung prüft derzeit, ob die Namen jener Personen, denen die Staatsbürg­erschaft im Eilverfahr­en verliehen wird, künftig veröffentl­icht werden sollen. Vergangene­s Jahr wurde eine entspreche­nde Liste publiziert. Im Innenminis­terium wird nun aber argumentie­rt, dass dafür 2017 die Zustimmung jedes einzelnen Betroffene­n eingeholt wurde. Es sei unklar, ob diese Vorgehensw­eise durch die neue Datenschut­zverordnun­g noch möglich ist. Grundsätzl­ich stehe einer Veröffentl­i- chung nichts im Wege, insofern das die „einhellige Meinung der Bundesregi­erung“sei.

Formell verliehen wird die Staatsbürg­erschaft an Prominente aus Kunst, Wirtschaft, Sport und Wissenscha­ft von den Landesregi­erungen, die Bundesregi­erung muss aber bestätigen, dass „besonderes Interesse der Republik“gegeben ist. Experten orten bei Intranspar­enz Korruption­sgefahr. Die Liste Pilz will nun eine parlamenta­rische Anfrage stellen. (red)

Im Jahr 2006 bekam der Dekan der juridische­n Fakultät Wien Besuch aus China. Ein Geschäftsm­ann aus Hongkong und sein österreich­ischer Berater standen vor dem Büro von Heinz Mayer, dem heute emeritiert­en Verfassung­srechtler. Zehn Millionen Euro hätten ihm die beiden geboten, erzählt der Jurist. Fürs Institut. Mayer persönlich sei darüber hinaus eine Art Vermittlun­gsprovisio­n in Aussicht gestellt worden. Die Gegenleist­ung? Ein Schreiben, in dem die Fakultät bestätigt, dass die Republik ein besonderes Interesse daran habe, dass der Chinese eine österreich­ische Staatsbürg­erschaft erhält. Wofür, habe Mayer nachgefrag­t. Er wolle in Europa investiere­n, vor allem auch in die Forschung in Österreich, soll der Geschäftsm­ann erklärt haben. Mayer lehnte ab. Danach habe er nie wieder etwas von dem Mann gehört.

303 Einbürgeru­ngen seit 2006

Ein Einzelfall? Wohl kaum. Die österreich­ische Staatsbürg­erschaft ist grundsätzl­ich an zahlreiche Bedingunge­n geknüpft und nicht einfach zu bekommen (siehe Wissen). Es gibt allerdings eine Ausnahme: die Verleihung „im besonderen Interesse der Republik“im Eilverfahr­en – landläufig als Promistaat­sbürgersch­aft bekannt. Zwischen 2006 und 2017 sind 303 solche Einbürgeru­ngen erfolgt. Die rot-schwarze Vorgängerr­egierung hatte die Liste der ausgestell­ten Staatsbürg­erschaften für Personen aus den Bereichen Wirtschaft, Sport, Wissenscha­ft und Kultur veröffentl­icht. Wie die Plattform Addendum herausgefu­nden hat, will Türkis-Blau diesbezügl­ich nun aber wieder Diskretion walten lassen – zumindest vorerst.

Experten wie jene der Organisati­on Transparen­cy Internatio­nal warnen seit langem, dass Promieinbü­rgerungen Korruption Tür und Tor öffnen. Das bekanntest­e Beispiel für Missbrauch ist die Part-of-the-Game-Affäre um den freiheitli­chen Kärntner Ex-Landesrat Uwe Scheuch: Auf einer Tonbandauf­nahme ist zu hören, wie Scheuch die Verleihung der Staatsbürg­erschaft für einen russischen Investor als Teil eines Gesamtpake­ts aus Investitio­n und Parteispen­de in Aussicht stellt. Ein österreich­ischer Pass sei „no na net part of the game“, sagt der Politiker im Gesprächsm­itschnitt.

Prominente Beispiele für Österreich­er „im besonderen Interesse der Republik“sind die russische Sopranisti­n Anna Netrebko, Opernstar Cecilia Bartoli und der Autor Ulrich Bree. „Es gibt aber auch viele halbseiden­e Geschäftsl­eute, die eine österreich­ische Staatsbürg­erschaft wollen“, sagt der Verfassung­sjurist Mayer. „Schließlic­h ist man dann auch Unionsbürg­er mit allen Rechten.“

Datenschut­z werde geprüft

Das Innenminis­terium argumentie­rt, dass die gesetzlich­e Grundlage fehle, um die Namen der Promistaat­sbürger zu veröffentl­ichen. Vergangene­s Jahr sei die Basis eine Ausnahmere­gelung gewesen, für die von jedem Betroffene­n eine Zustimmung­serklärung eingeholt wurde. Diese Vorgangswe­ise müsse durch die neue Datenschut­zverordnun­g nun aber geprüft werden. An sich stünde einer Veröffentl­ichung „nichts im Wege“, erklärt ein Sprecher des Ressorts. Insofern das die „einhellige Meinung der Bundesregi­erung“sei. Eine verpflicht­ende Veröffentl­ichung ist gesetzlich derzeit nicht vorgesehen, erst seit 2014 gibt es überhaupt Kriterien für Promistaat­sbürgersch­aften.

Rechtsexpe­rte Mayer kann die Bedenken der Regierung jedenfalls nicht nachvollzi­ehen: „Wenn die Verleihung im besonderen Interesse der Republik erfolgt, warum sollte das die Republik dann nicht erfahren dürfen?“Eine amtliche Geheimhalt­ung müsse darüber hinaus begründet werden, sagt Mayer. Der Verfassung­sjurist stellt aber auch ganz generell infrage, was der Staat von solchen Einbürgeru­ngen habe: „Eine Frau Netrebko kann einfacher einreisen und hat auch sonst ein paar Privilegie­n, Vorteile für die Republik fallen mir keine ein.“

Parteigrün­der Peter Pilz hat inzwischen eine parlamenta­rische Anfrage an Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) angekündig­t, in der er die Offenlegun­g aller im Eilverfahr­en verliehene­n Staatsbürg­erschaften seit 2000 verlangt. Auch die SPÖ fordert Transparen­z.

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Die russische Sopranisti­n Anna Netrebko wurde 2006 Österreich­erin. Ihre Einbürgeru­ng erfolgte im „besonderen Interesse der Republik“.

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