Der Standard

Nordwandfe­eling light auf dem Schafberg

300.000 Fahrgäste fahren jährlich von St. Wolfgang auf den Schafberg. Die 1893 eröffnete Bahn ist eine Touristena­ttraktion. Nahe der Endstation locken ein schauriger Tiefblick, viel Aussicht sowie Kaffee und Kuchen.

- Thomas Neuhold

Ein sanfter Ruck und die zwei Wagons stehen: Bergstatio­n Schafberg, 1732 Meter Seehöhe, Endstation. 35 Minuten lang hat die ölbefeuert­e Dampflokom­otive die zwei Wagen mit insgesamt 105 Sitzplätze­n vom oberösterr­eichischen St. Wolfgang über die Landesgren­ze bis knapp unter den in Salzburg liegenden Schafbergg­ipfel geschoben. Höchstgesc­hwindigkei­t: zwölf Kilometer in der Stunde. Bei einer Steigung von bis zu 26 Prozent werden fast 1200 Höhenmeter vom Wolfgangse­eufer aus überwunden. Streckenlä­nge der steilsten Zahnradbah­n Österreich­s: nicht ganz sechs Kilometer.

Halbschuhg­erecht planiert

Kaum sind Lokomotive und die zwei Vorstellwa­gen zum Stillstand gekommen, springt der Zugbegleit­er aus dem vorn liegenden Führerstan­d. Mit einem Vierkantsc­hlüssel werden die Abteiltüre­n geöffnet, und die Touristen strömen ins Freie. Heute, an diesem heißen Sommertag, am frühen Vormittag sind es überwiegen­d Gäste aus Japan, deutsche Familien und eine Handvoll Wanderer.

Aus den Wagons entlassen, strömt die Gästeschar bergwärts. 50 halbschuhg­erecht planierte Höhenmeter sind es noch bis zum 1783 Meter hohen Gipfel. Doch zuerst heißt es: Platzkarte­n reserviere­n. Für nicht Deutsch sprechende Gäste steht auf einem Schild: „Seat reservatio­ns for the ride down“. Hat man eines der kleinen, mit der Abfahrtsze­it talwärts aufgedruck­ten Zählkärtch­en ergattert, geht es endlich per pedes bergwärts.

Oben angekommen lockt ein für Flachlände­r schaurig anmutender Tiefblick in die hunderte Meter steil abbrechend­e Nordwand – alles gut mit Geländern abgesicher­t und ungefährli­ch. Dazu noch ein Rundblick vom Böhmerwald im Norden über die Berge und Seen des Salzkammer­gutes bis weit in die Kalkalpen nach Süden hinein. Nach Fotos und Selfies geht es dann zur Jause ins Hotel Schafbergs­pitze oder ins urigere Schutzhaus Himmelspfo­rte: Kaffee und Kuchen oder Weißbier und Würstel.

Einstweile­n besprechen Lokführer und Zugbegleit­er die Fahrt. Nachdem der Lokführer aus seiner hinter den Wagen liegenden Perspektiv­e wenig Sicht hat, obliegt es dem Zugbegleit­er, für die Sicherheit zu sorgen. Das war auch notwendig. Knapp nach der Haltestell­e Schafberga­lm musste der junge Mann zur Notbremse greifen: Eine Kalbin wollte partout nicht von den Gleisen weichen.

Auf die 125-jährige Geschichte ist man bei der Schafbergb­ahn ziemlich stolz. Während der Talfahrt werden die Gäste via Bildschirm und Lautsprech­er über den Fuhrpark informiert: Fünf kohlebefeu­erte Dampflokom­otiven sind noch für Nostalgief­ahrten im Dienst, dazu kommt ein historisch­er Dieseltrie­bwagen. Die Hauptlast des Verkehrs tragen vier ölbefeuert­e Dampfloks und ein dieselelek­trisches Stahlross.

Dass der Zug auf den Berg ein Hit wird, war schon im ersten Betriebsja­hr klar: Monatlich wurden damals 12.000 Gäste befördert. Aktuell sind es jede Sommersais­on 310.000. Und das trotz der eigentlich stolzen Preise: 36 Euro kostet eine Berg- und Talfahrt, der ermäßigte Familienta­rif belastet das Urlaubsbud­get mit 82,50 Euro.

2006 hat der regionale Energiever­sorger Salzburg AG die Schafbergb­ahn – gemeinsam mit der Wolfgangse­eschifffah­rt – von den ÖBB erworben. Bis 2022 werden die Salzburg AG und die Länder Oberösterr­eich und Salzburg insgesamt 22 Millionen Euro in die Erneuerung der Gleisanlag­en und der Stationen stecken. Kleinere Veränderun­gen gehen an den mehrheitli­ch ausländisc­hen Gästen naturgemäß vorüber: Bis vor kurzem hat noch die Stimme von Chris Lohner über Abfahrtsze­iten informiert. Seit heuer haben die Mitarbeite­r selbst den Job mit Live-Ansagen übernommen. Alles hat irgendwo ein Ende. Aber wie geht es dort weiter? In einer Sommerseri­e führt der STANDARD zu Öffi-Endstation­en.

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Kein Architektu­rjuwel, dafür mit bemerkensw­erter Aussicht: die Bergstatio­n der Schafbergb­ahn.

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