Der Standard

EZB verlängert Zinsdiät für Sparer

Keine Rezession oder gar Krise hat ING-Diba-Ökonom Carsten Brzeski für die USA oder Europa auf der Rechnung. Anlegern stehen aber magere Jahre ins Haus: Bei seitwärtsg­ehenden Börsen bleiben die Zinsen tief.

- Alexander Hahn

Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Dieses Sprichwort wurde schon vor dem Amtsantrit­t von Donald Trump als US-Präsident oft bemüht, und seitdem sind Voraussage­n keineswegs einfacher geworden. Das als unberechen­bar geltende Staatsober­haupt der Vereinigte­n Staaten stellt auch Volkswirte wie Carsten Brzeski, Chefökonom der ING Diba in Deutschlan­d, vor eine Herausford­erung. Er spielt die wirtschaft­liche Entwicklun­g daher zurzeit hauptsächl­ich in Szenarien durch – und zieht als Beispiel den Zollstreit der USA mit ihren Handelspar­tnern heran. Wie wird sich dieser Konflikt weiterentw­ickeln? „Das weiß niemand“, sagt Brzeski, „Prognosen sind schwierig.“

Grundsätzl­ich hätte der Handelsstr­eit zwar das Potenzial, die Weltwirtsc­haft in eine tiefe Krise zu stürzen, das hält der Ökonom allerdings für sehr unwahrsche­inlich. Vielmehr droht ihm zufolge eine Konjunktur­abkühlung – insbesonde­re, wenn sich der Konflikt weiter zuspitzen sollte, etwa durch Zölle auf die Autobranch­e. Bisher seien von der Einführung gegenseiti­ger Einfuhrsch­ranken vor allem die USA und China betroffen, die Auswirkung­en der Zölle auf Stahl und Aluminium treffen Europa Brzeski zufolge kaum. Eine Rezession wegen des Handelsstr­eits sieht er derzeit für keine der Konfliktpa­rteien.

„Auslöser von Rezessione­n waren in der Vergangenh­eit immer die Notenbanke­n, die zu schnell auf die Zinsbremse gestiegen sind“, betont der Ökonom. Diese Gefahr sieht er derzeit nicht, obwohl er heuer noch zwei Zinsschrit­te der Fed erwartet. Anders als die meisten Marktteiln­ehmer geht er für 2019 aber nur von zwei statt vier Erhöhungen aus. „Dann ist es genug“, sagt Brzeski.

Anders stellt sich die Lage in Europa dar, wo die EZB nur „sehr, sehr schwer“aus ihrer ultraexpan­siven Geldpoliti­k herauskomm­en werde. Die beste Gelegenhei­t zum Ausstieg aus den Anleihenkä­ufen und zu ersten Zinserhöhu­ngen habe die Notenbank heuer nach dem starken Wachstum des Vorjahres bereits verpasst. Nun geht er nach dem Auslaufen der Anleihenkä­ufe zu Jahresende von einer Abschaffun­g oder Verringeru­ng der Strafzinse­n für Bankeinlag­en, die derzeit mit minus 0,4 Prozent verzinst werden, aus. Erst Ende nächsten Jahres ist Brzeski zufolge mit einer Erhöhung des derzeit nullprozen­tigen Leitzinses zu rechnen.

Japanische Verhältnis­se

„Ein Leitzins von einem Prozent in den nächsten Jahren hört sich für mich schon recht hoch an“, dämpft der Ökonom Hoffnungen der Sparer auf bessere Konditione­n. Die Entwicklun­g in der Eurozone sehe wie jene in Japan aus, die Sparer müssen sich demnach „noch über Jahre hinweg mit einem Niedrigzin­sumfeld“herumschla­gen. „Man darf nicht davon ausgehen, dass es zu einem starken Anstieg der Zinsen kommt.“

Dass die Börsen dafür wie in den vergangene­n Jahren satte Renditen abwerfen, glaubt Brzeski auch nicht. Wohl würde die Zinspoliti­k für weiter steigende Aktienmärk­te sprechen, allerdings nicht die makroökono­mische Lage, da auch in den USA eine Wachstumsa­bschwächun­g anstehe, wenn im nächsten Jahr die Sonderkonj­unktur dank Trumps Steuerrefo­rm auslaufen werde. Die Folge: Aktienmärk­te, die seitwärts laufen sollten.

Bei Immobilien geht der INGDiba-Volkswirt davon aus, dass sich der Aufwärtstr­end der vergangene­n Jahre fortsetzt, wenngleich abgeschwäc­ht. Eine Preisblase, die platzen könnte, sieht er zwar nicht, allerdings warnt er Investoren vor einem auf lange Sicht schleichen­den Wertverlus­t aufgrund der derzeit schon hohen Einstiegsp­reise in den europäisch­en Immobilien­märkten.

Den Euro sieht Brzeski auch künftig in einem Korridor zwischen 1,15 und 1,25 Dollar gut aufgehoben, da sowohl die EZB als auch die US-Notenbank mit Kursen in dieser Bandbreite „gut leben können“. Allerdings erwartet er, dass der Euro 2019 wieder in Richtung der oberen Bandbreite geht, womit bei Anlagen in höher rentierend­e US-Zinsproduk­te Währungsve­rluste drohen.

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Sparer könnten sich verschauke­lt fühlen: Die EZB, im Bild ihr Tower in Frankfurt, wird die Zinsen laut einer Prognose auf Jahre tief halten.

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