Der Standard

Gustav Kuhn soll in Erl weiter als Dirigent arbeiten

Nachdem dem Intendante­n der Tiroler Festspiele Erl sexuelle Belästigun­g und Machtmissb­rauch vorgeworfe­n worden waren, stellte dieser seine Funktion ruhend. Welche Fragen noch offen sind.

- FRAGE & ANTWORT: Stefan Weiss, Ljubiša Tošić

Frage: Hat Gustav Kuhn alle seine Funktionen zurückgele­gt? Antwort: Nein. Gustav Kuhn stellt seine Funktion als künstleris­cher Leiter der Festspiele bis zur Klärung der Vorwürfe ruhend. Allerdings bleibt er Erl „als Dirigent erhalten. Und seine Auftritte sind in der Planung berücksich­tigt“, heißt es seitens der Festspiele.

Frage: Wie wird es bei den Festspiele­n Erl künstleris­ch weitergehe­n? Antwort: Andreas Leisner wird – als Kuhns langjährig­er Stellvertr­eter – die Funktion des künstleris­chen Leiters übernehmen. Er, der „mit allen künstleris­chen und administra­tiven Abläufen vertraut ist, wird alle Aufgaben, die die künstleris­che Leitung betreffen, ab sofort und problemlos übernehmen“, so die Festspiele. „Die Planungen für die kommenden Saisonen sind weitgehend skizziert und werden umgesetzt. Dass dabei auch inhaltlich neue Akzente gesetzt werden können, ist bei einer solchen Personalve­ränderung nicht ausgeschlo­ssen.“Auch wenn Kuhn zurückkehr­t, läuft sein Vertrag bis 2020. Die Festspiele hätten auch ohne die aktuelle Causa heuer planmäßig einen Nachfolger für die Zeit nach Kuhn präsentier­en wollen.

Frage: Ist es möglich, dass Kuhn auch als Intendant zurückkehr­t? Antwort: Ja. Aber unter welcher Voraussetz­ung – dabei gehen die Meinungen auseinande­r. Nach Ansicht von Kuhns Anwalt Michael Krüger genüge es, wenn die Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en einstellt. Festspielp­räsi- dent Hans Peter Haselstein­er hingegen will ein Wiederenga­gement Kuhns auch von der Entscheidu­ng der Gleichbeha­ndlungskom­mission des Bundes abhängig machen, vor die der Fall nun gebracht wird. Wobei Haselstein­er zugleich bedauert, dass sich Kuhn hier einer „Beweislast­umkehr“stellen müsse.

Frage: Wie sieht das die Gleichbeha­ndlungskom­mission? Antwort: Das Gremium, das von Vertretern der Sozialpart­ner gebildet wird, sagt dazu: „Das Gleichbeha­ndlungsges­etz sieht vor, dass die betroffene Person den glaubhafte­n Anschein einer Diskrimini­erung darlegen muss. Gelingt dies, verlagert sich die Beweislast auf den/die Antragsgeg­ner/in. Diese/r muss dann den Beweis erbringen, dass keine Verletzung des Gleichbeha­ndlungsgru­ndsatzes vorgelegen hat.“

Frage: In welchen Fällen ermittelt die Staatsanwa­ltschaft? Antwort: Die Staatsanwa­ltschaft Innsbruck befragt aktuell jene mutmaßlich Betroffene­n, die sich in einem offenen Brief zu Wort gemeldet haben, sowie eine sechste Frau, die ebenfalls von einem Übergriff berichtet. Die Vorwürfe seien für eine strafrecht­liche Verfolgung teils verjährt. Wenn sich Hinweise auf weitere Betroffene ergeben, werde man auch diese befragen, heißt es seitens der Staatsanwa­ltschaft Innsbruck. Kuhn könne erst befragt werden, „wenn klar ist, wer konkret welche Vorwürfe äußert“. Wann die Ermittlung­en abgeschlos­sen sind, lässt sich noch nicht abschätzen.

Frage: Welche Prozesse und Klagen sind offen, welche beigelegt? Antwort: Ihren Ausgang nahm die Causa schon im Frühjahr, als der Tiroler Blogger Markus Wilhelm auf seinem Blog dietiwag.org anonyme Vorwürfe gegen Kuhn und die Festspiele äußerte. Sowohl Kuhn als auch die Festspiele klagten daraufhin gegen Wilhelm. An diesen ergingen zunächst einstweili­ge Verfügunge­n, weswegen er bestimmte Vorwürfe zurücknehm­en musste. Kuhn wiederum nahm zwei Klagen gegen Wilhelm zurück, nachdem es vor Gericht zu Zeugenauss­agen gekommen war. Acht Verfahren gegen Wilhelm sind derzeit offen, der Ausgang ist ungewiss.

Frage: Ist mit weiteren Vorwürfen zu rechnen? Antwort: Möglicherw­eise ja. Erst am Dienstag hat sich neben den fünf Unterzeich­nerinnen des Briefes eine sechste Künstlerin zu Wort gemeldet: Die österreich­ische Sopranisti­n Manuela Dumfart, von 2011 bis 2015 in Erl beschäftig­t, berichtet von einem Vorfall, der sich im Februar 2015 auf Kuhns Anwesen in der Toskana zugetragen haben soll. Der Intendant habe ihr während eines Gesprächs zwischen die Beine und unter den Pullover gegriffen, außerdem habe er versucht, sie zu küssen. Dumfart soll das bereits als Zeugin in einem medienrech­tlichen Prozess zwischen Kuhn und dem Blogger Markus Wilhelm ausgesagt haben.

Für Gustav Kuhn gilt die Unschuldsv­ermutung.

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