Gerhard Jagschitz 1940–2018
Zeithistoriker 77-jährig in Wien verstorben
Wien – Ins öffentliche Bewusstsein trat der Zeithistoriker Gerhard Jagschitz 1992 mit einem vielbeachteten Gutachten. Fünf Jahre sammelte der damalige Professor am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien dafür Beweise, durchforstete Quellen und besuchte Originalschauplätze. Letztlich fegte seine Arbeit im Prozess gegen den Herausgeber der rechtsextremen Zeitschrift Halt, Gerd Honsik, die sogenannte „Auschwitz-Lüge“vom Tisch, die von Honsik und seinen Gesinnungsgenossen stets geleugnete Massenvernichtung von Menschen und die Existenz von Gaskammern im „Dritten Reich“.
Mit derselben wissenschaftlichen Akribie kam Jagschitz zwei Jahre später im Wiederbetätigungsprozess gegen Gottfried Küssel zu dem Schluss, dass die Volkstreue Außerparlamentarischen Opposition (Vapo) eine nationalsozialistische Gruppe ist.
Bei aller Hingabe für die Zeitgeschichte war Jagschitz auch stets Kritiker der aktuellen Politik geblieben: Der Historiker hat nie ein Hehl aus seiner Ablehnung gegenüber dem EU-Beitritt Österreichs gemacht, den er von Anfang an mit einem „Souveränitätsverlust“verband. Nicht zuletzt warnte der langjährige Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte schon 1995 vor der wachsenden „Partei der Nichtwähler“und der Tendenz der Politik, sich immer mehr in den Dienst weniger Interessengruppen zu stellen. 2002 ging er in Pension, blieb aber auch in den folgenden Jahren wissenschaftlich aktiv.
Am Montag starb Gerhard Jagschitz im Alter von 77 Jahren in Wien an den Komplikationen einer Operation. (tberg)