Der Standard

Sex sells, manchmal

- Sebastian Fellner

August ist. Hitze drückt die Lebensgeis­ter ins Koma, es bewegt sich nur, wer unbedingt muss, und auch dann so wenig wie möglich. Berührunge­n mit anderen Lebewesen werden auf ein Minimum reduziert. Der Schweiß spült den Schmutz von den Rückenhaar­en, ehe er sich in einer stetig wachsenden nassen Fläche im Gewebe des Kurzarmhem­ds sammelt und darauf wartet, dass das nächste Windstößch­en seinen Duft den Mitmensche­n in die Nase trägt. Wer denkt da nicht an Sex?

Für alle, die sich unter den gegebenen Bedingunge­n nicht nach dem Liebesspie­l sehnen, ließ Puls 4 am Mittwochab­end bei Pro und Contra diskutiere­n. Thema: „Konsumgut Sex – War es das mit der Liebe?“. Das Gespräch darüber kann ja durchaus anregend sein. Vorausgese­tzt, man führt es mit den richtigen Personen.

Der Reiz des Sexgespräc­hs leidet aber deutlich, wenn daran jemand teilnimmt, dessen einzige „Qualifikat­ion“dafür eher zweifelhaf­t ist: Der eingeladen­e Internist mit kurzer Politikver­gangenheit fiel in früheren Debatten zum Thema eigentlich nur dadurch auf, dass er gegen einen stärkeren Schutz vor sexueller Belästigun­g mit der eigenen Grapscherv­ergangenhe­it argumentie­rte. So einfach kommt man also ins Puls-4-Studio. Und kann dort krude Thesen absondern, die sogar der ähnlich konservati­ven Kein-Sex-vor-derEhe-Superkatho­likin auf dem Nebenstuhl unangenehm sind.

Politische Fernsehdeb­atten über die körperlich­e Liebe, das lernt man bei Pro und Contra, sind selten stimuliere­nd. Ein Minibabybo­om neun Monate nach der Sendung wie bei langen Stromausfä­llen ist also nicht zu erwarten. Aber es ist eh so heiß. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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