Der Standard

Aktion scharf gegen Fahrradrow­dys

Im Sommer werden Radfahrer verstärkt kontrollie­rt. Strafen werden oftmals als Schikane empfunden. Aber nicht jeder Beamte prüft auf Punkt und Beistrich.

- Vanessa Gaigg

Ein Radler brettert die Wiener Mariahilfe­r Straße hinunter und quert bei Rot die Straße. „Tschuldig’n ...“, setzt Inspektor Sandro B. an und hebt den Zeigefinge­r der rechten Hand. „Könnten Sie bitte kurz stehen bleiben?“Der Wunsch des Polizisten bleibt unerhört, der Radfahrer fährt weiter geradeaus an ihm vorbei. „Okay“, sagt Inspektor B., schnappt sich sein E-Bike und radelt hinterher.

Drei Beamte des Stadtpoliz­eikommando­s Josefstadt, die auch für den siebenten Bezirk zuständig sind, haben sich in der Fußgängerz­one der Mariahilfe­r Straße eingefunde­n, um eine Fahrrad-Schwerpunk­tkontrolle durchzufüh­ren. Sie gehören zur seit 2008 bestehende­n Wiener Fahrradpol­izei, sind aber nicht jeden Tag und nicht ausschließ­lich mit dem Rad unterwegs. Vor allem bei Radkontrol­len greifen sie selbst zum Drahtesel. Sie tragen immer einen Helm – und sind die Einzigen, denen im Dienst eine kurze Hose erlaubt ist. Rekrutiert werden interessie­rte Beamte in den Bezirken selbst. Hundert Polizisten und fünfzig Räder sind Teil der Radpolizei. Damit gibt es mehr Räder als Pferde bei der berittenen Polizei – wenn diese einmal installier­t sein wird.

Mehr Kontrollen im Sommer

Mittlerwei­le hat der Inspektor den Rennradler eingeholt. Er war in Gedanken versunken, hat die Aufforderu­ng des Polizisten nicht gehört. Siebzig Euro muss er für sein Vergehen ablegen. Wäre er mit dem Auto gefahren, müsste er gleich viel zahlen. Wollte oder könnte er das Organstraf­mandat nicht gleich bezahlen, wäre eine Anzeige die Folge gewesen. Dann hätte er auch die Möglichkei­t gehabt, Einspruch zu erheben.

Viele Radler in Wien haben das Gefühl, dass in letzter Zeit öfter kontrollie­rt wird. Das stimmt auch, bestätigt Polizeispr­echer Patrick Maierhofer. Vier große Schwerpunk­tkontrolle­n mit zwanzig Polizisten – davon zwei auf Motorräder­n und vier auf dem Fahrrad – hat man seit Mitte Juni durchgefüh­rt. 1375 Organstraf­mandate und 443 Anzeigen wurden verteilt. Hinzu kommen Kontrollen in den Bezirken. An der Spitze standen Strafen wegen der Missachtun­g von Rotlicht, dann folgen mangelnde Ausrüstung, das Befahren von Gehsteigen oder Tele- fonieren auf dem Rad. Nur ein geringer Anteil fährt alkoholisi­ert– bei über 0,8 Promille werden Strafen ab 800 Euro fällig.

Drei Viertel der österreich­ischen Haushalte besitzen laut dem Verkehrscl­ub ein Fahrrad. In Wien liegt der Radverkehr­santeil bei sieben Prozent. Anderswo schneiden die Radler besser ab, zum Beispiel in Salzburg und Bregenz mit 20 Prozent oder in Innsbruck (17 Prozent) und Graz (15 Prozent).

„Manchmal fühlen sich Radfahrer bei Kontrollen schikanier­t“, sagt Matthias Pinkner von der Radlobby, einer Interessen­vertretung für Radfahrer. Grundsätzl­ich sei es gut, wenn die Polizei Gesetze kontrollie­re. Aber ob Kontrollen in Fußgängerz­onen Priorität haben sollen, stellt er infrage. Man würde sich andere Schwerpunk­te wünschen, wie Messungen von Überholabs­tänden oder Tempokontr­ollen auf sogenannte­n Mischroute­n, die von mehreren Fahrzeugen verwendet werden dürfen. Immer wieder wird der Polizei auch in sozialen Medien vorgeworfe­n, sich an neuralgisc­hen Punkten aufzustell­en, um „abzukassie­ren.“Aufregung gab es vor ein paar Monaten, als die Polizei das Tempo von Radlern beim „Anfahren einer ungeregelt­en Kreuzung“gemessen hat, das zehn Stundenkil­ometer nicht überschrei­ten darf.

Man sei vor allem dort präsent, wo es viele Anrainerbe­schwerden gebe, sagt Maierhofer: „Wer sich an die Verkehrsre­geln hält, hat nichts zu befürchten.“

Spielraum beim Strafen

Zwei weitere Herren hält Inspektor B. an. Bei beiden fehlen die vorgeschri­ebenen Reflektore­n, die an den Pedalen sowie vorn und hinten angebracht sein müssen. Einer hat Glück: Weil nur zwei Reflektore­n fehlen, drückt der Beamte ein Auge zu und mahnt ab. Der Zweite muss zahlen.

Pinkner von der Radlobby berichtet von Fällen, bei denen Radler für jedes einzelne fehlende Leuchtmitt­el (je 20 Euro) zur Kasse gebeten wurden. Das muss nicht bei jeder Kontrolle so streng gehandhabt werden: Er habe bei der Strafverga­be schon Spielraum, etwa wenn das Rad insgesamt in gutem Zustand ist, sagt der Beamte Sandro B. und verlangt für fehlende Reflektore­n und Katzenauge­n zusammen 20 Euro.

 ??  ??
 ??  ?? Ein Fahrradpol­izist darf seinen Dienst in der kurzen Hose versehen. Strafen muss er trotzdem.
Ein Fahrradpol­izist darf seinen Dienst in der kurzen Hose versehen. Strafen muss er trotzdem.

Newspapers in German

Newspapers from Austria