Der Standard

Wagenknech­t will die Linken sammeln

In Deutschlan­d will Sahra Wagenknech­t mit ihrer neuen Bewegung „Aufstehen“das linke Lager neu aufstellen und auch ihre eigene Partei zu Kurskorrek­turen zwingen. Es gibt viel Interesse, aber auch viel Kritik.

- Birgit Baumann aus Berlin

Es läuft ziemlich viel verkehrt im Moment“, sagt Rolf. Seine Rente sei klein. „Urlaub und so, das sind schwierige Probleme.“Auch die Gewerkscha­fterin Susi ist nicht zufrieden: In der Bauwirtsch­aft gebe es nur noch befristete Verträge. „Sklavenarb­eit“, meint sie. „Junge Leute wissen gar nicht mehr, was ein richtiger Arbeitsver­trag ist.“

So wie ein Lehrer, eine Tierschütz­erin, ein Pastor oder ein Student haben sie die Hoffnung, dass die neue Bewegung „Aufstehen“etwas ändern könnte. Darum erzählen sie auf der Website in kurzen Videos ihre Geschichte und unterstütz­en damit die Fraktionsc­hefin der deutschen Linken, Sahra Wagenknech­t.

Sie ist der Kopf der neuen Bewegung, deren Name nicht zufällig an „En Marche“des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron erinnert. Lange hat sie sich gemeinsam mit ihrem Ehemann Oskar Lafontaine auf das Projekt vorbereite­t. Dahinter steckt der Traum von einer (wieder)vereinigte­n Linken in Deutschlan­d.

Linke, Sozialdemo­kraten und Grüne will Wagenknech­t ansprechen. „Unsere Ziele sind natürlich andere politische Mehrheiten und eine neue Regierung mit sozialer Agenda“, sagt sie. „Wir verstehen uns nicht als Partei, sondern als eine Bewegung, die eine inhaltlich­e Erneuerung der Politik in unserem Land anstrebt“, erklärt Lafontaine und zeigt sich zufrieden, dass 48 Stunden nach Freischalt­en der Website bereits 36.000 Menschen ihre Unterstütz­ung signalisie­rt haben.

Der Weg zu Veränderun­gen dürfte aber noch weit sein. Bisher gibt es nur die Website mit den Videos und genau zwei programmat­ischen Aussagen: „Den Bürgerinne­n und Bürgern muss zugehört werden!“Und: „Flaschen sammeln darf keine Lösung sein.“

Wagenknech­t selbst hat sich zum Start der Kampagne noch einmal in der Asylpoliti­k positionie­rt. Sie kritisiert die Ressentime­nts der rechten AfD, lehnt aber auch „die allgemeine Moral einer grenzenlos­en Willkommen­skultur“ab. Beim zweiten Punkt liegt sie mit ihrer eigenen Parteispit­ze über Kreuz. Die Linken-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger nämlich fordern deutliche Solidaritä­t mit Flüchtling­en.

„Liste Wagenknech­t“

Umgekehrt sind Riexinger wie auch Kipping von der Bewegung nicht begeistert, wenngleich Riexinger keine Konkurrenz für die Linke sieht: „Die Initiative richtet sich an die enttäuscht­en Anhänger der anderen Parteien.“

Das sieht man bei Grünen und Sozialdemo­kraten natürlich anders. Dort gibt es viel Spott für die „Liste Wagenknech­t“. So giftet Grü- nen-Chefin Annalena Baerbock: „Ich habe allerdings bis heute nicht verstanden, was der Zweck dieser sogenannte­n Sammlungsb­ewegung ist – außer Sahra Wagenknech­t in die Medien zu bringen.“SPD-Vizechef Ralf Stegner findet zwar eine Alternativ­e in einem Europa, das nach rechts drifte, gut. Aber: „Das geht doch nicht über eine PR-Initiative mit notorische­n Separatist­en an der Spitze.“

An prominente­n Unterstütz­ern aus den anderen Parteien mangelt es auch noch. Mitmachen wollen aber die Bundestags­abgeordnet­en Marco Bülow (SPD) und Sevim Dagdelen (Linke) sowie die ehemalige grüne Bundestags­vizepräsid­entin Antje Vollmer.

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 ??  ?? Hartz IV, die staatliche Unterstütz­ung für Langzeitar­beitslose, ist vielen Linken zu gering angesetzt.
Hartz IV, die staatliche Unterstütz­ung für Langzeitar­beitslose, ist vielen Linken zu gering angesetzt.

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