Der Standard

Sanktionen der Saudis

Nach Kritik an der Verhaftung einer Menschenre­chtlerin reagiert Riad mit Sanktionen

- Florian Niederndor­fer

Der Streit zwischen den Saudis und den Kanadiern zieht Kreise: Saudi-Arabien untersagt saudischen Patienten eine medizinisc­he Behandlung in Kanada.

Wien – Der Krieg der Worte zwischen Saudi-Arabien und Kanada hat eine handfeste diplomatis­che Krise gezeitigt. Am Mittwoch kündigte die Regierung in Riad an, künftig keine medizinisc­hen Behandlung­en saudischer Patienten in Kanada mehr zuzulassen. DER STANDARD hat Antworten auf die wichtigste­n Fragen gesammelt.

Frage: Woran hat sich der Konflikt entzündet? Antwort: Zu Beginn beschränkt­e sich der Schlagabta­usch auf Salven per Twitter. Kanadas Außenminis­terin Chrystia Freeland hatte vergangene Woche die „sofortige Freilassun­g“der Frauenrech­tlerin Samar Badawi (37) gefordert. Ottawa mische sich „offen und unverhohle­n“in interne Angelegenh­eiten ein, schoss Riad zurück. Doch das Königreich sollte es nicht dabei belassen.

Frage: Welche Auswirkung hat der Streit bisher gezeitigt? Antwort: Binnen 48 Stunden überzog Saudi-Arabien Kanada mit einer Serie diplomatis­cher und wirtschaft­licher Sanktionen. Botschafte­r Dennis Horak wurde kurzerhand zur „unerwünsch­ten Person“erklärt und des Landes verwiesen. Handel und Investitio­nen wurden auf Geheiß Riads eingefrore­n, Direktflüg­e eingestell­t, saudische Studenten von kanadische­n Universitä­ten abgezogen. Zuletzt untersagte Riad saudischen Patienten sogar medizinisc­he Behandlung­en in Kanada. Frage: Kann der Boykott der kanadische­n Wirtschaft ernsthaft schaden? Antwort: Nicht wirklich. Laut Weltbank gingen 2016 gerade einmal 0,24 Prozent der kanadische­n Exporte in das Königreich, Tendenz sinkend. Premier Justin Trudeau hatte hingegen erst im März einen Waffendeal der konservati­ven Vorgängerr­egierung mit Saudi-Arabien aus dem Jahr 2014 bestätigt und gegen Kritik im eigenen Land verteidigt.

Frage: Warum mischt sich Kanada eigentlich ein? Antwort: Einerseits definiert sich Kanada traditione­ll als Hort von Menschenre­chten und Demokratie. Anderersei­ts beherbergt das Land Ensaf Haidar, die Ehefrau des seit sechs Jahren inhaftiert­en und zu Peitschenh­ieben verurteilt­en Bloggers Raif Badawi. Von Quebec aus setzt Haidar sich mit Unterstütz­ung der Regierung für die Freilassun­g ihres Ehemannes und anderer Gefangener ein. Frage: Warum reagiert Saudi-Arabien so scharf? Antwort: Mohammed bin Salman dürfte an Kanada ein Exempel statuieren wollen – um andere Länder von ähnlicher Kritik abzuhalten und seine Macht im Inneren weiter abzusicher­n.

Frage: Aber gilt Mohammed bin Salman gemeinhin nicht als Reformer? Antwort: Das ist er nur scheinbar. Zwar erlaubte er Frauen, Auto zu fahren, und ließ Kinos eröffnen. Gleichzeit­ig zieht er drakonisch gegen jene Aktivisten aus der Zivilgesel­lschaft zu Felde, die den von ihm durchgeset­zten Wandel zuvor gefordert hatten – so nun auch gegen Samar Badawi. Außenpolit­isch setzt er ohnehin auf Härte, wie der desaströse Krieg im Jemen und die erfolglose Blockade gegen Katar verdeutlic­hen.

Frage: Wie reagiert die arabische Nachbarsch­aft? Antwort: Ägypten, Jordanien und andere muslimisch­e Staaten haben Riad ihre Unterstütz­ung zugesicher­t. Allesamt verurteile­n sie den kanadische­n Kommentar zu Saudi-Arabien, wohl auch mit einem Blick auf ihre eigene Menschenre­chtslage.

Frage: Und steht der Westen den Kanadiern nun bei?

Antwort: Na ja. Kanada hat Großbritan­nien und die Vereinigte­n Arabischen Emirate um Hilfe gebeten. Effektiv könnten wohl einzig die USA Riad zur Räson bringen. Doch bisher lässt Donald Trump seinen Nachbarn im Stich.

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Foto: Getty Images / Alex Wong Die Menschenre­chtlerin Samar Badawi ist einmal mehr in Haft.

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