Anzeigen wegen Vergewaltigung stark gestiegen
Die anhaltenden Kürzungen für über ein Dutzend Frauenvereine werden mit einem starken Fokus auf Gewaltschutz argumentiert. Doch wer das Geld genau bekommt, ist weiterhin unklar.
Wien – Die Zahl der Anzeigen wegen Vergewaltigung ist in Österreich stark gestiegen. Im ersten Halbjahr 2018 wurden laut Bundeskriminalamt 374 entsprechende Anzeigen an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 261. Insgesamt weist die am Mittwoch veröffentlichte Kriminalstatistik einen Anzeigenrückgang um zehn Prozent aus. Für Kritik sorgt weiterhin, dass 230.000 Euro staatliche Förderung, die ursprünglich für Frauenprojekte vorgesehen waren, in Gewaltschutz fließen sollen. Diese Summe sei „reserviert“, aber „nicht in Stein gemeißelt“, erfuhr der STANDARD im Frauenministerium. (red)
Es wird im Jahr 2019 noch weniger. Nachdem viele Frauenvereine erst im Juni oder Juli dieses Jahres über Budgetkürzungen und gänzliche Streichungen ihrer bisherigen Förderung informiert wurden ( der STANDARD berichtete), müssen sie im nächsten Jahr nochmals mit 230.000 Euro weniger auskommen.
Geld, das künftig dem Gewaltschutz zur Verfügung gestellt werden soll – wenn es denn benötigt wird, heißt es aus dem Frauenministerium auf Nachfrage des STANDARD. Denn diese 230.000 Euro seien noch „nicht in Stein gemeißelt“. Wenn etwa für den Gewaltschutz beispielsweise nur 130.000 Euro nötig sind, stünde auch mehr für andere Projekte zur Verfügung.
Mehr Bedarf, weniger Geld
Vergangene Woche wurde dies allerdings noch als „Umschichtung“bezeichnet und als Budgetplan 2019 bestätigt. Jetzt heißt es, die erwähnten 230.000 Euro seien von der Budgetabteilung für den Gewaltschutz lediglich „reserviert“worden. Diese Summe sei als „reine Annahme“eines möglichen Bedarfs zu verstehen.
Maria Schwarz-Schlögmann, Vorsitzende des Bundesverbands der Gewaltschutzzentren, kritisierte kürzlich, das in Aussicht gestellte Geld diene ohnehin nur der Abgeltung steigender Personalkosten und sei die gesetzlich vorgesehene Inflationsanpassung. Dass es sich dabei zum Teil um eine Inflationsanpassung handelt, bestätigt auch ein Sprecher der Frauenministerin Juliane BognerStrauß (ÖVP).
In vergangenen Jahren sei der Bedarf im Gewaltschutz, auch durch die Wertsicherung, immer größer geworden, heißt es aus dem Büro der Ministerin. Und bei dem seit Jahren gleichbleibenden Budget bedeute das eben: weniger Geld. Die bisherigen und künftigen Kürzungen für andere Vereine seien demnach einzig der Budgetdisziplin geschuldet, man wolle nicht ausgeben, was man nicht hat, heißt es aus dem Ministerium.
SPÖ-Frauenchefin Gabriele Heinisch-Hosek, zwischen 2008 und 2016 Frauenministerin, konnte für 2017 noch eine Überschrei-tungsermächtigung von 500.000 Euro „herausholen“, wie es Heinisch-Hosek in einer Aussendung formuliert.
Nachdem laut dem Frauenministerium das zusätzliche Geld für den Gewaltschutz über 230.000 Euro nur „bedarfsorientiert“eingeplant ist, gibt es auch keine konkreten Stellen, die nun mit dem Geld fix rechnen könnten.
Weiterhin bleibt demnach auch unklar, wie es um die zu Jahresbeginn angekündigten 100 zusätzlichen Frauenhausplätze steht. Die Neos haben diesbezüglich eine parlamentarische Anfrage gestellt. In der dem STANDARD vorliegenden Beantwortung wird auf das Jahr 2022 verwiesen und darauf, dass „die Frage der Finanzierung zum jetzigen Zeitpunkt nicht beantwortet werden kann“. In jedem Unternehmen würde es als Misswirtschaft gelten, wenn es darüber noch immer keine Klarheit gebe, kritisiert Claudia Gamon, Frauensprecherin der Neos.
„Die Frauenministerin konnte in den Budgetausschüssen im April keine einzige Frage beantworten, weil die Budgetplanung noch nicht abgeschlossen sei“, sagt Gamon. Das gelte wohl noch immer, so Gamon, allerdings sei es dann erstaunlich, dass „BognerStrauß über die Bundesjugendförderung und die 40.000 Euro Förderung ( der STANDARD berichtete) für den Österreichischen Pennälerring (ÖPR) offenbar sehr genau Bescheid weiß“.
Nachweisbarer Fokus
Die Kürzungen bei anderen Frauenvereinen abseits eines konkreten Gewaltschutzauftrages sind für Gamon prinzipiell nachvollziehbar. Nicht jeder Verein könne gefördert werden, wenn es ein begrenztes Budget gibt.
Nicht in Ordnung sei es aber, Frauenorganisationen auf den letztmöglichen Zeitpunkt zu vertrösten und ihnen dann ihre Finanzierungsgrundlage zu entziehen, kritisiert Gamon. Wenn die Frauenministerin sich auf den Gewaltschutz fokussieren will, sei das aber grundsätzlich legitim, „allerdings muss sie dann auch beweisen können, dass sie das wirklich macht – das tut sie aber nicht. Die Ministerin macht schlichtweg ihren Job nicht.“