Der Standard

Der König der Lobbyisten wird entzaubert

Paul Manafort, ehemaliger Chef von Donald Trumps Wahlkampag­ne, muss sich wegen Finanzverg­ehen vor Gericht verantwort­en. Die Erkenntnis­se könnten für den US-Präsidente­n noch sehr gefährlich werden.

- Frank Herrmann aus Alexandria

VREPORTAGE: ielleicht ist es die Straußenle­derjacke um 15.000 Dollar. Als Paul Manafort sie erwarb, wollte er wohl einfach zeigen, dass er sich sündhaft Teures leisten kann, eben als Statussymb­ol. Er hatte den Olymp der Topverdien­er unter den Politikber­atern erklommen, war reich geworden durch Geschäfte in der Ukraine. Nun dient ein Foto der Straußenle­derjacke als Beweismitt­el in einem Gerichtsve­rfahren. Manafort ist auf dem Tiefpunkt angelangt.

Erkennbar um Haltung bemüht, sitzt der 69-Jährige im Saal 901 des Albert V. Bryan Courthouse in Alexandria, 15 Kilometer vom Weißen Haus entfernt. Vor zwei Jahren führte er noch Regie beim republikan­ischen Wahlpartei­tag, der Donald Trump zum Kandidaten kürte. Ein Profi, Lobbyist und Publicity-Experte. In Alexandria wird er so gründlich entzaubert, dass sein Ruf für den Rest seines Lebens unter die Räder gekommen sein wird – selbst wenn die Jury der zwölf Geschworen­en Milde walten lassen sollte.

Konnex zur Russland-Causa

Der tiefe Fall des Paul Manafort ist ein Spektakel, das Washington, die Welthaupts­tadt der Lobbyisten, in seinen Bann zieht. Zudem ist es das erste Mal, dass sich aus Trumps Umkreis einer vor Gericht verantwort­en muss, gegen den Robert Mueller, der Sonderermi­ttler der Russland-Affäre, ermittelt hat.

Seit der Prozess im Juli begann, sind Leute in den Zeugenstan­d getreten, die einmal Manaforts luxuriösen Lebensstil schilderte­n, einmal die breite Palette seiner Finanztric­ks. Ronald Wall, zuständig für Finanzen im House of Bijan in Beverly Hills, laut Eigenwerbu­ng der teuerste Herrenmode­laden der Welt, spricht von einem „sehr guten Kunden“. Cynthia Laporta, Manaforts Steuerbera­terin, räumt ein, dass sie wissentlic­h falsche Zahlen verwendete, um Steuern zu hinterzieh­en – aus Angst vor einem Zerwürfnis mit diesem wichtigen Klienten.

Was die Zeugen in allen Details zeichnen, ist das Bild eines vom Geld Besessenen, der den schillernd­sten Reichen nacheifern wollte. Milliardär­en wie Trump.

Rund 60 Millionen Dollar, dokumentie­ren Muellers Juristen, scheffelte Manafort von 2010 bis 2014. In der Zeit empfahl er Wiktor Janukowits­ch, dem prorussisc­hen Präsidente­n der Ukraine Strategien für erfolgreic­he Wahlkämpfe. Janukowits­ch war Manaforts „goldene Gans“. In dem Moment, in dem er nach Russland floh, versiegte die wichtigste Einnahmequ­elle des Amerikaner­s.

Rick Gates wiederum war Manaforts Mädchen für alles, seine rechte Hand, sein engster Vertrauter. Der Mann fürs Grobe, der sich selbst bereichert­e, indem er Rechnungen fingierte. Es ist ein Spektakel für sich, dass Gates nun der Hauptzeuge der Anklage ist. Während sich Manafort weigerte, mit Mueller zu kooperiere­n, bekannte er sich schuldig und begann auszupacke­n. Er hofft auf Strafmilde­rung. Der heute 46-Jährige flog nach Zypern, um im Auftrag seines Chefs Briefkaste­nfirmen zu gründen. Firmen, die nur dem Zweck dienten, das Geld, das mit Janukowits­ch verbandelt­e ukrainisch­e Oligarchen an Manafort überwiesen, vor dem Fiskus zu verstecken. Firmen mit Namen wie Leviathan Advisors, Lucille LLC, Paranova, Global Highway, Black Sea View Limited.

15 Schwarzgel­dkonten

Allein bei zypriotisc­hen Banken besaß Manafort 15 Konten, je eines für jede Offshore-Gesellscha­ft. Statt sie auf seiner USSteuerer­klärung anzugeben, verschwieg er sie, um sich arm zu rechnen und Steuern zu sparen. Einmal, als ihm seine Steuerlast trotz aller Manipulati­onen zu hoch erschien, schrieb er eine wütende E-Mail an Gates. „Wie konnte ich nur so überrumpel­t werden? Du sagtest mir doch, du hättest alles im Griff.“Der Ausweg: Honorare aus Kiew wurden nachträgli­ch zu Darlehen erklärt. Wobei der Trick darin bestand, dass ein Unternehme­n aus Manaforts Imperium einem anderen Geld lieh – rein theoretisc­h, versteht sich.

Ab 2015, Manafort verdiente kaum noch etwas, lief es genau andersrum. Um von US-Banken Kredite zu erhalten, musste er seine Einnahmen nach oben treiben – und Gates hatte den Betrug zu organisier­en. Der Gehilfe fabriziert­e Verträge, in denen Firma A auf die Rückzahlun­g eines Darlehens von Firma B verzichtet. Dem Direktor der Federal Savings Bank in Chicago reichten die dubiosen Nachweise, um Manafort in prekärer Lage 16 Millionen Dollar zu leihen. Dafür sollte Steve Calk, so heißt der Mann, mit einem Kabinettsp­osten belohnt werden – und Gates sollte die Fäden ziehen.

Man müsse Steve Calk als Staatssekr­etär für die Armee ins Gespräch bringen, schrieb Manafort seinem Adlatus im Spätherbst des Jahres 2016 in einer E-Mail. Daraus wurde zwar nichts, doch erhellend ist dieses Kapitel im Prozess allemal. Ein Blick hinter die Kulissen der Macht, wie ihn das breite Publikum nur selten geboten bekommt.

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Verteidige­r Kevin Downing (li.) befragt für Paul Manafort (vorn, 3. v. re.) den Zeugen Rick Gates (re.).

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