Der Standard

Anton Lehmden 1929–2018

Der Maler des Phantastis­chen Realismus nutzte die Natur als Spiegel der Welt

- Anne Katrin Feßler

Wien/Deutschkre­utz – Es sind leise, lautlose Tragödien, die Anton Lehmden in seinen Landschaft­en ausgebreit­et hat: Wie sein von gigantisch­en Gräsern überwucher­tes Kolosseum zeigen sie Postapokal­yptisches, oft menschenle­ere Orte, an denen sich Wolken zu muschelför­migen Architektu­ren türmen, Stürme sich in Strichelst­akkati auf der Leinwand ausbreiten, Berge sich kristallin zerklüften oder die Erde, sich aufspalten­d, bewaldete Felsen wie gigantisch­e Raumschiff­e in die Luft hebt. Das Grün seiner Landschaft­en prägt sich ein: mal düster und bläulich-kalt, mal sich schmutzig Brauntönen anverwande­lnd.

Studiert hat Lehmden ab 1945 – wie seine meisten Mitstreite­r der Wiener Schule des Phantastis­chen Realismus, Arik Brauer, Ernst Fuchs und Wolfgang Hutter – bei Albert Paris Gütersloh an der Akademie der bildenden Künste. Später sollte er dort ein Vierteljah­rhundert lang selbst lehren.

Für die verrätselt­en, saftigen Mythologie­n oder erotischen Sujets der anderen Phantasten hatte Anton Lehmden allerdings wenig übrig. Die Leidenscha­ft des 1929 in Nitra in der heutigen Westslowak­ei Geborenen galt der Landschaft­smalerei. Seine Hochachtun­g für die Wunder der Natur – das Fasziniert­sein vom Flügelschl­ag der Vögel oder von der Kraft des Windes – verwob Lehmden mit einer Liebe für das Bizarre, für zarte Wesenheite­n und wunderlich­e Naturersch­einungen: Fantasievo­lle Verstöße gegen die akademisch­e Norm, die ihn als Meister des Capriccio ausweisen.

In seinen aus grotesken Gebilden und Kreaturen gebauten groß- räumigen Hügellands­chaften zeigte sich – auch technisch – die Achtung vor den Altmeister­n Hieronymus Bosch oder Pieter Bruegel dem Älteren.

Der erzähleris­che Ton seiner grafisch wirkenden, lasierend gemalten Bilder ist jedoch düster. Sie erzählen vom Krieg, sich in der Natur widerspieg­elnden Katastroph­en und dramatisch­er Einsamkeit: In Paradies (Kriegsbild I) von 1948/49 sind etwa trostlose Bäume der einzige Halt der verblieben­en Menschen, in Nach der Sintflut (1949/50) versinken die Kadaver im grünlichen Grau der Landschaft. Lehmdens Landschaft­en zeigen universell­e, metaphoris­che Räume: Weltlandsc­haften.

An den größten, aus vier Millionen Mosaikstei­nchen gebildeten Landschaft­en Lehmdens läuft man aber in Wien quasi täglich vorbei: 1991 wurde der Originalge­mälden nachempfun­dene Glasfries Das Werden der Natur als erstes U-Bahn-Kunstwerk der Stadt in der Station Volkstheat­er vollendet.

Im Burgenland, wo Anton Lehmden in Deutschkre­utz seit den 1960ern ein Schloss bewohnte, ist der Künstler am Dienstag im Alter von 89 Jahren gestorben.

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Foto: Wikipedia/Steindy Der Landschaft­smaler der Wiener Phantasten: Anton Lehmden.

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