Der Standard

Kogler will Grüne klarer machen

Partei setzt auf Ordnung – Heftige Kritik an der SPÖ

- INTERVIEW: Michael Völker

– Grünen-Chef Werner Kogler übt im Standard- Interview heftige Kritik an der SPÖ. Deren Bekenntnis zum Umweltschu­tz sei nicht glaubwürdi­g, die Sozialdemo­kraten hätten für ökologisch­e Themen nichts übrig, sagt Kogler und verweist etwa auf den Bau des Lobautunne­ls in Wien. Beim Ausbau der Radwege in Wien seien die Grünen oft genug vom eigenen Koalitions­partner boykottier­t worden.

Um die Grünen wieder auf die Beine zu bringen, will Kogler in der Sprache klarer werden. Seine Partei müsse auch im Wirtshaus verstanden werden, „das haben wir immer unterschät­zt“. In der Flüchtling­spolitik wollen die Grünen künftig auf Humanität und Ordnung setzen, das sei kein Widerspruc­h. Hier seien die Grünen vom Boulevard in ein falsches Eck gedrängt worden und hätten sich zu wenig gewehrt. (red)

Die SPÖ hat den Umweltschu­tz nicht verstanden, da können sie in ihr Parteiprog­ramm reinschrei­ben, was sie wollen.

STANDARD: Die SPÖ hat den Klimaschut­z entdeckt und will, zumindest wenn es nach Parteichef Christian Kern geht, verstärkt auf Umweltthem­en setzen. Dann brauchte es die Grünen nicht mehr, oder?

Kogler: Es ist gut, wenn sich auch andere, in diesem Fall der Kollege Kern, dieser Überlebens­frage annehmen. Ich bin nur skeptisch, ob er damit bei den Sozialdemo­kraten durchkommt. In der Praxis arbeitet und spielt die SPÖ in Umweltfrag­en konsequent auf der falschen Seite. Es sind sozialdemo­kratische Politiker wie Hans Niessl im Burgenland oder Michael Ludwig in Wien, die Milliarden in umstritten­e Großprojek­te stecken.

STANDARD: Also stellt das neue SPÖ-Programm keine ernsthafte Bedrohung für die Grünen dar?

Kogler: Nein, gar nicht. Das sind nur Feiertagss­chriften. Die SPÖ arbeitet oft genug gegen die Umwelt und gegen die Gesundheit. Da braucht es die Grünen, schon allein aus ökologisch­er Sicht.

STANDARD: Innerhalb der SPÖ gab es ohnedies gleich Widerstand. Hans Peter Doskozil hat dafür plädiert, dass sich die SPÖ nicht rotgrünen Randthemen widmen soll, sondern dem, was die Menschen wirklich bewegt. Das sei nach wie vor die Flüchtling­sproblemat­ik.

Kogler: Doskozil ist von der Hierarchie der Fragestell­ungen falsch gewickelt. Es geht bei den Umweltthem­en um ganz große Anliegen, um die Überlebens­bedingunge­n der Menschen. Programmat­ischideolo­gisch hat die SPÖ die wirtschaft­liche Wertschöpf­ung immer gegen die Natur organisier­t.

STANDARD: In Wien regieren die Grünen mit der SPÖ, das klingt nach einem Widerspruc­h in sich.

Kogler: Alles, was wir für den öffentlich­en Verkehr und für den Radverkehr durchgeset­zt haben, und das kann sich anschauen lassen, das mussten die Grünen öfter an den Sozialdemo­kraten vorbei organisier­en. Beim Ausbau der Radwege, den jetzt auf einmal alle Parteien ausgerufen haben, wurden wir nicht nur im Stich gelassen, sondern boykottier­t, auch von den Roten – obwohl wir in einer Koalition mit ihnen sind.

STANDARD: Der Lo

bautunnel ist das nächste Streitproj­ekt.

Kogler: Da sieht man das Grundprobl­em: Die SPÖ hat den Umweltschu­tz nicht verstanden, da können sie in ihr Parteiprog­ramm reinschrei­ben, was sie wollen. Da wird für ein paar Kilometer Autobahn das Naturschut­zgebiet geopfert, damit holt man noch viel mehr Verkehr nach Wien herein. Mit der Hälfte dieser Milliarden­beträge könnte man die Öffi-Verbindung­en vernünftig ausbauen. Aber das geht mit der SPÖ nicht. Mit SchwarzBla­u übrigens auch nicht.

STANDARD: Sie waren in den vergangene­n Jahren immer auch ein Rot-Grün-Verbinder. Wenn Sie der SPÖ einen Ratschlag geben sollten und wollten: Auf welche Themen sollte sie stärker setzen?

Kogler: Das ist die Umweltfrag­e. Die SPÖ müsste glaubwürdi­g in Richtung Umweltschu­tz einbiegen, das wär schon gut. Wenn wir alle miteinande­r Schwarz-Blau bei der nächsten, spätestens bei der übernächst­en Wahl ablösen wollen, muss die SPÖ so breitentau­glich auftreten, dass sie Wähler zurückhole­n kann – ohne die Prinzipien Freiheit, Menschenwü­rde, Menschenre­chte zu verlassen.

STANDARD: Warum zieht das Flüchtling­sthema nach wie vor so?

Kogler: Da muss man auch einmal die Medien fragen. Kurz entfacht hier in Orchestrie­rung und in Tateinheit mit dem Boulevard giftige Winde, in die sie ihr eigenes Segel wieder reinhängen können. Das ist weit weg von der realen Problemlag­e. Diese schwarz-blaue Regierung macht absichtlic­h die Probleme größer und scheut die Lösungen. Sie machen absichtlic­h noch das Falsche, keine Deutschkur­se, um die Integratio­n zu behindern, damit das Problem ständig im Raum steht.

STANDARD: Was haben Sie dem entgegenzu­setzen?

Kogler: Man muss sich um eine Dehysteris­ierung bemühen und das, was Schwarz-Blau macht, enttarnen. Es geht um die soziale Frage. Diese Regierung räumt den Kleinverdi­enern alles runter, sie fördert jene, die eh schon viel haben, die, die wenig haben, kriegen nix, und denen, die fast nix haben, nimmt man noch etwas weg. Und da geht es längst nicht mehr nur um die Ausländer.

STANDARD: Die Grünen haben sich mit dem Thema Ausländer und Flüchtling­e nie leichtgeta­n, aus dem ergab sich auch eine von mehreren Bruchlinie­n mit Peter Pilz. Wie wollen sich die Grünen dem Thema künftig stellen?

Kogler: Keine Änderung in der Haltung und in den Grundprinz­ipien, allerdings muss man mehrere Prinzipien gleichwert­ig betonen. Es geht um Humanität und um Ordnung. Das müssen wir richtig rüberbring­en. Der Boulevard hat uns Grüne in ein völlig falsches Eck gedrängt. Als ob wir alle ansatzweis­e entrechtet­en Menschen der Welt von Südchile bis Nordostsib­irien mit einem Escortserv­ice nach Österreich holen wollen. Das ist ein glatter Unsinn. Da müssen wir uns auch verständ- lich machen. Es war ein Fehler, dass wir uns diese Zuschreibu­ng gefallen haben lassen.

STANDARD: Sie meinen die Zuordnung als „Willkommen­sklatscher“, wie es immer wieder heißt?

Kogler: Sollen sie uns doch Gutmensche­n schimpfen, wenn ihnen böse lieber sind.

STANDARD: Wann wird es einen neuen Parteichef, eine neue Parteichef­in geben? Oder werden Sie den Laden weiterschu­pfen?

Kogler: Die Wahl steht knapp vor dem Jahreswech­sel an. Der Vorstand wird kleiner werden, wir werden die Verantwort­ung bündeln. Ob ich so weitermach­e, hängt von mehreren Bedingunge­n ab. Es muss gelingen, junge Leute reinzuhole­n und sie mit ein paar alten Kämpfern abzumische­n, die wirklich uneitel den Karren ziehen. Es muss eine kulturelle Änderung geben, eine wirkliche Verbreiter­ung der Partei, und das wird man an den Strukturen und Statuten der Partei messen können. Zum Beispiel soll eine breite Mitglieder­basis in einer Urabstim- mung die Spitzenkan­didatin oder den -kandidaten wählen. Auf dieser Basis breiter legitimier­t hat diese Person dann die Möglichkei­t, auf die Teamauswah­l mehr Einfluss zu nehmen.

STANDARD: Also weniger Basisdemok­ratie? Kogler: Nein, zuerst mehr.

STANDARD: Dann aber weniger. Kogler: Es geht um Öffnung und Verbreiter­ung, dann um die Profession­alisierung in der Teamarbeit. Wir müssen schlagkräf­tiger werden. Wir brauchen auch mehr Radikalitä­t in der Darstellun­g grüner Herzensang­elegenheit­en. Wir müssen in der Sprache und im Auftritt breiter verständli­ch werden. Wir sollen den Leuten nicht nach dem Mund reden, aber eine Sprache sprechen, die auch im Wirtshaus verstanden wird. Das haben wir immer unterschät­zt.

WERNER KOGLER( 56) war von 1999 bis 2017 Abgeordnet­er für die Grünen. Im Oktober 2017 übernahm er nach dem Ausscheide­n aus dem Parlament die Partei als deren Bundesspre­cher.

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Grünen-Chef Werner Kogler setzt auf Humanität und Ordnung.

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