Der Standard

Das Klima für Trumps Gegner wird immer rauer

Bombendroh­ung nach Kampagne für freie Medien – US-Präsident ließ Liste mit möglichen Gegnern in Geheimdien­sten anlegen

- Manuel Escher

Washington/Wien – Offenkundi­g waren nicht alle überzeugt: Nur wenige Stunden waren vergangen, seitdem der Boston Globe gemeinsam mit anderen Zeitungen eine Kampagne für die Pressefrei­heit organisier­t hatte. Doch die Beteuerung­en der Zeitung, dass „die freie Presse nicht der Feind“sei, haben offenbar nicht überall offene Ohren gefunden: Denn bereits Donnerstag­abend gingen in der Tageszeitu­ng mehrere Bombendroh­ungen ein, die sich auf die Medienkamp­agne bezogen.

Zwischen der Kampagne und den Drohungen lag ein Tweet Donald Trumps, der über den angeb- lich mangelnden kommerziel­len Erfolg der Zeitung aus Massachuse­tts herzog. Der US-Präsident hatte den Globe aus jenen rund 350 US-Medien herausgepi­ckt, die Tags zuvor in einer abgestimmt­en Aktion Meinungsko­lumnen veröffentl­ichten, um den häufigen Angriffen des US-Präsidente­n entgegenzu­treten. Auch New York Times und Washington Post nahmen an der Aktion teil.

Die Bombendroh­ung stellte sich nach einer Überprüfun­g der Polizei als Fehlalarm heraus – doch die Journalist­innen und Journalist­en fühlten sich durch die Episode in ihrer Einschätzu­ng bestätigt, dass die feindselig­en Worte des Präsidente­n auch in der Realität Folgen haben können. Dies war auch eines jener Argumente gewesen, die in der Pressefrei­heitsKampa­gne vom Vortag besonders oft vorkamen. Speziell die Formulieru­ng Trumps, Medienvert­reter seien „die Feinde des Volkes“, sehen viele vor diesem Hintergrun­d als unverantwo­rtlich an.

„Politische Agenda“

Trump selbst hatte via Twitter am Mittwoch auch Zweifel daran geschürt, dass die US-Presse in ihrer derzeitige­n Form tatsächlic­h frei sei: „Es gibt nichts, was ich für unser Land mehr wollen würde, als eine tatsächlic­h freie Presse“, schrieb er auf Twitter. In Wahrheit würden viele Medien ihre Ver- breitung aber dazu nutzen, FakeNews zu verbreiten und eine „politische Agenda voranzutre­iben und Menschen zu schaden“.

Schon vor Trumps Angriffen hatten mehrere US-Medien, die sich nicht an der Aktion beteiligt hatten, vor dieser Argumentat­ionslinie gewarnt. So hieß es etwa im Wall Street Journal, wenn alle Medien an einem Tag ähnlich lautenden Meinungsst­ücke veröffentl­ichten, würde dies die Ansicht verstärken, es gäbe einen geheimen Presseklün­gel.

Gegen einen anderen Kritiker hatte Trump bereits am Vortag tatsächlic­h Maßnahmen ergriffen: Dem Ex-CIA-Chef John Brennan entzog der US-Präsident per Wei- sung seinen Zugang zu Geheimdien­stinformat­ionen – was am Freitag mehrere frühere CIAChefs in einer gemeinsame­n Erklärung scharf kritisiert­en.

Trump ließ seine Entscheidu­ng zunächst über seine Sprecherin Sarah Sanders mit dem „erratische­n Verhalten“Brennans begründen, nannte dann in der Wall Street Journal aber doch die Russland-Ermittlung­en, die Brennan vorangetri­eben hatte, als Anlass. Gemeint ist die Causa offenbar auch als Drohung. Wie nun bekannt wurde, ließ Trump eine ganze Liste mutmaßlich­er Gegner anlegen, deren Sicherheit­szugang er zu prüfen gedenkt.

Lira-Krise S. 17, Kommentar S. 38

Newspapers in German

Newspapers from Austria