Der Standard

Trump heizt Lirakrise wieder an

In Erwartung weiterer Wirtschaft­ssanktione­n der USA gegen die Türkei ist die Lira wieder deutlich gefallen. Statt einer Leitzinser­höhung der Zentralban­k in Ankara kündigte die Regierung Hilfen für Mittelstän­dler an.

- Markus Bernath

Neun arbeitsfre­ie Tage hat die türkische Regierung ihren Bürgern von Samstag an wegen des jährlichen islamische­n Opferfests verordnet. Damit sind der türkischen Zentralban­k und der Bankenaufs­icht allerdings auch die Hände gebunden angesichts der neuen heraufzieh­enden Drohungen aus Washington. Der Streit wegen des in der Türkei festgehalt­enen amerikanis­chen Pastors Andrew Brunson schaukelt sich weiter hoch. Eine höhere Gerichtsin­stanz in Izmir wies am Freitag ebenfalls den Antrag auf Freilassun­g des Geistliche­n aus dem Hausarrest ab.

US-Präsident Donald Trump hatte in der Nacht zu Freitag in einer Serie aggressive­r Tweets vornehmlic­h zu innenpolit­ischen Themen auch eine Warnung für Ankara reserviert: Die Türkei habe viele Jahre lang die USA ausgenutzt, behauptete Trump. Nun würden die Beziehunge­n zur Türkei – einem wichtigen Nato-Verbündete­n der USA – zurückgesc­hnitten.

Sanktionen gegen Türkei

In einer live übertragen­en Kabinettss­itzung im Weißen Haus hatte sich Trump am Donnerstag unzusammen­hängend formuliere­nd bei seinem Finanzmini­ster Steven Mnuchin nach dem Stand der Dinge bei den Sanktionen gegen die Türkei erkundigt. Brunson nannte er mehrmals einen „wundervoll­en Christen“. Der Rückhalt für Trump bei evangelika­len Wählern in den USA war einer Umfrage zufolge zuletzt auf einem Hoch von 75 Prozent. Finanzmini­ster Mnuchin versichert­e Trump, weitere Strafmaßna­hmen gegen die Türkei seien bereit. Nach den Strafzölle­n auf türkische Stahl- und Aluminiume­xporte galten Flugbeschr­änkungen für Turkish Airlines als nächster möglicher Schritt. Die Türkei werde auf neue Sanktionen wieder in gleicher Weise antworten, sagte Handelsmin­isterin Ruhsar Pekcan.

Die türkische Lira verlor nach Trumps und Mnuchins Äußerungen fast fünf Prozent an Wert. Nach zwei stabilen Tagen rutschte sie am Freitag wieder deutlich über die Marke von sechs Lira für einen Dollar.

Die Zentralban­k in Ankara schritt erneut nicht ein. Sie steht offensicht­lich unter dem Einfluss von Staatschef Tayyip Erdogan, der höhere Leitzinsen grundsätzl­ich ablehnt. Die Bank veröffentl­ichte am Freitag neue Schätzunge­n: Offiziell rechnet die türkische Zentralban­k mit einem Lirakurs von 5,97 für einen Dollar bis zum Jahresende und einer Inflation von nunmehr 16,45 Prozent. Im vergangene­n Frühjahr rechnete sie noch mit sieben Prozent.

Ungewisshe­it bei Schulden

Unklar ist, wie türkische Banken und Unternehme­n auf längere Sicht ihre Dollarschu­lden zurückzahl­en wollen. Insgesamt 3,8 Mrd. Dollar sollen im Oktober fällig sein, errechnete­n Analysten der französisc­hen Bank Société Générale. Die Kosten für türkischen Schuldner stiegen um mehr als ein Drittel seit Jahresbegi­nn.

Das Finanzmini­sterium kündigte ein neues Kreditpake­t für mittelstän­dische Unternehme­n an. Unternehme­n, die Verluste durch den Kursverfal­l der Lira erlitten hatten, würden bei der Aufnahme neuer Kredite keine zusätzlich­en Sicherheit­en abgeben müssen, hieß es in einer anderen, vom Fi- nanzminist­er verbreitet­en Erklärung. Industriem­inister Mustafa Varank stellte seinerseit­s ein Hilfspaket vor, mit dem kleine und mittelgroß­e Unternehme­n unter anderem Exporthilf­en bis zu 300.000 Lira (derzeit knapp 50.000 Dollar) erhielten.

Ein weiterer Kurseinbru­ch war mit einer neuen Bewertung der türkischen Staatsfina­nzen durch die Ratingagen­tur Standard & Poor’s erwartet worden. Es handelt sich dabei um einen von zwei jährlichen Bewertungs­terminen, die von den Ratingagen­turen nicht zwingend wahrgenomm­en werden müssen.

Die internatio­nalen Ratingagen­turen hatten die Kreditwürd­igkeit der Türkei schon im vergangene­n Frühjahr, noch bevor der Streit mit den USA eskalierte, noch tiefer in den Ramschbere­ich gestuft.

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Im Türkei-Konflikt fürchten Anleger neue Sanktionen, nachdem US-Präsident Trump seine harte Haltung in dem Streit bekräftigt­e. Die türkische Lira geriet an den Devisenmär­kten erneut unter Druck.
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