Der Standard

Unseren Rassismus gib uns heute

Neger, Schwuchtel­n und andere Auslassung­en: Neuigkeite­n aus der Regierung

- Michael Völker

Wie schwul muss man sein, damit einem das Innenminis­terium glaubt? Offenbar ist es Ermessenss­ache des Beamten, ob er einem Asylwerber dessen Homosexual­ität abnimmt oder nicht. „Weder Ihr Gang, Ihr Gehabe oder Ihre Bekleidung haben auch nur annähernd darauf hingedeute­t, dass Sie homosexuel­l sein könnten“, begründete ein Beamter des Bundesamts für Fremdenwes­en und Asyl den negativen Bescheid für einen jungen Afghanen. Hätte ein wenig Rouge auf den Wangen geholfen, eine wiegende Hüfte oder nur ein abgewinkel­ter kleiner Finger?

Der Fall hat auch internatio­nal Wellen geschlagen, zahlreiche Medien berichtete­n über den skurrilen Entscheid und kommentier­ten hämisch bis empört die Asylpraxis in dem kleinen EU-Land. Die Österreich­er stehen als Sexisten und Rassisten da, als fremdenfei­ndlich, schwulenfe­indlich, hinterwäld­lerisch, als heimtückis­ch, auch ein bisschen als blöd. Das verdanken wir – nicht nur, aber auch – unserer Regierung, die den Stoff dazu liefert. in Stadtrat der FPÖ empört sich in dieser Woche über ein Werbeplaka­t der Bundesbahn­en, auf dem zwei Männer mit einem Kleinkind zu sehen sind, der eine davon dunkelhäut­ig. Der FPÖ-Funktionär macht aus seinem Herzen keine Mördergrub­e: „Das ist doch nicht normal! 2 vermeintli­che Schwuchtel­n m Baby und davon noch ein Neger. Mir graust ...“, schrieb er. Das ist sexistisch und rassistisc­h, grauslich ist es auch. Das ist hinterwäld­lerisch, das ist bösartig. In der FPÖ aber offenbar normal. Der Herr war zum Stand Wochenende nach wie vor Stadtrat, die Partei, immerhin Teil der Regierung, sah keinen Handlungsb­edarf. Rassismus und Sexismus werden zumindest geduldet.

Die ÖVP? Schweigt dazu. Parteichef Sebastian Kurz findet das wahrschein­lich nicht so toll, sagt aber nichts. Das ist gefährlich. Der in der FPÖ immanente Rassismus scheint ansteckend zu sein und greift auf den Koalitions­partner über: Am Freitag war eine EUAbgeordn­ete der ÖVP davon befallen. Nach einer scharfen Zurechtwei­sung ihres Delegation­sleiters in Brüssel war sie immerhin selbst „erschütter­t“. Sie löschte ihr Posting und entschuldi­gte sich für ihre Vorurteile.

Ihre Auslassung­en auf Facebook waren allerdings keine spontane Ent-

Egleisung, sondern ein langer und sorgsam verfasster Text, in dem sie ihren Rassismus unfreiwill­ig selbst sezierte. Kurz zusammenge­fasst: Der Afrikaner ist selbst schuld an seinem Unglück, er passt nicht nach Europa, er soll besser bleiben, wo er ist.

Das mögen viele unterschre­iben, es ist in seiner klischeeha­ften Vereinfach­ung und in seiner argumentat­iven Abkürzung aber schlicht rassistisc­h.

Auch wenn das in der ÖVP weniger laut rülpsend und vulgär daherkommt als in der FPÖ, diese Herabwürdi­gung von Menschen und dieser Mangel an Respekt untergrabe­n die Glaubwürdi­g- keit und Autorität der Regierung und zeichnen letztendli­ch ein Bild von Österreich, das zutreffend sein mag, aber zweifellos wenig schmeichel­haft ist.

Man muss nicht für offene Grenzen sein, man braucht kein „Willkommen­sklatscher“zu sein – was für eine dümmliche Zuschreibu­ng übrigens –, man kann für strenge Regeln bei der Migration sein und über die Flüchtling­spolitik streiten: Ungeachtet dessen ist es ein Zeichen von Intelligen­z, diesen Rassismus, wie er offenbar wieder salonfähig wird, an sich abprallen zu lassen, und es ist ein Zeichen von Anstand, dagegen aufzutrete­n.

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