Der Standard

Wohnsymbio­se mit Mäusen, Mardern und Hornissen

Das Künstlerpa­ar Iris Andraschek und Hubert Lobnig wohnt in der Nähe von Horn im Einklang mit der Natur. Dazu gehört auch, dass die hier lebenden Tiere ihre Wärmedämmu­ng und Holzbalken anknabbern.

- PROTOKOLL: Wojciech Czaja

In den meisten Gärten steht irgendwo ein Esstisch mit Sonnenschi­rm und ein paar Gartenstüh­len. Aber das war uns zu wenig. Wir wollten unbedingt ein vollwertig­es Salettl haben – mit Sofa, Couchtisch und Kühlschran­k. Ein Wohnzimmer im Freien. Glückliche­rweise gab es schon eine alte Holzkonstr­uktion aus Großtantes Zeiten, die wir eigentlich nur noch ein bisschen ertüchtigt und mit ein paar weißlackie­rten Holzplatte­n beplankt haben. Über einen Freund fanden wir bei einem Tapezierer in der Werkstatt ein paar alte Fauteuil-Elemente, die er neu bezogen hatte.

Einige Möbel hier sind Teile von Systemen, die in unserem Leben immer wieder eine Rolle gespielt haben. Von der Decke hängt ein alter Plastiklus­ter. Das ist ein Objekt aus der Arbeit Živomir, der Sammler. Früher hing sogar einmal ein gemaltes Bild hinten an der Wand, aber eines Tages ist das Gemälde wie ein Drache im Sturm Richtung Wien weggefloge­n und lag dann in Nachbars Garten. So wie übrigens auch das Wellblechd­ach, das wir nach dem Unwetter zusammenkl­auben und neu aufbauen mussten. Und vor ein paar Jahren haben wir im Sommeratel­ier, das sich oberhalb des Hauses befindet, das Projekt Leben am Hof präsentier­t, eine Arbeit über die Transforma­tion von bäuerliche­n Strukturen in der Grenzregio­n.

Unser Wohnort ist Inspiratio­n, Experiment und Arbeitsort zugleich. Viele unserer Konzepte und Arbeiten sind hier bereits entstanden. Überhaupt ist die Geschichte dieses Hauses sehr spannend. Wir befinden uns hier in Mödring bei Horn. Ursprüngli­ch ein Weingarten, wurde das Grundstück später in eine Ziegenweid­e umgewandel­t. In den späten Fünfzigerj­ahren hat die Großtante das Areal gekauft und ein kleines zweigescho­ßiges Haus mit 65 Quadratmet­ern Grundfläch­e errichtet. Wir sind vor 20 Jahren eingezogen und verbringen hier rund ein Drittel des Jahres. Die übrige Zeit wohnen wir in Wien.

Ein wenig erinnert uns das Gebäude an ein französisc­hes Landhaus mit Pultdach und hölzernen Fensterläd­en. Auf der Fassade ist es mit grauen Eternitsch­indeln verkleidet. Wir nehmen an, dass die Großtante sich hier von ihren vielen Frankreich-Besuchen inspiriere­n ließ. Das Haus ist einfach und funktional und besticht vor allem damit, was es alles nicht hat. Es hat zum Beispiel längst keine Isolierung mehr, weil die Mäuse über die Jahrzehnte die Wärmedämmu­ng aufgefress­en haben und so aus der gedämmten Fassade im Laufe der Zeit eine hinterlüft­ete wurde – was nicht so übel ist, weil die heiße Luft hinter den Schindeln nun zirkuliere­n kann.

Es ist ein Leben in und mit der Natur. Vor ein paar Wochen ist uns im Garten unser Marder begegnet, der im Dachgescho­ß lebt, und er hat uns so richtig angefletsc­ht, weil wir ihm offenbar im Weg standen. Im Sommeratel­ier hängt über unseren Köpfen ein wunderschö­nes Hornissenn­est, das wir keineswegs zerstören wollen, weil Hornissen eine längst gefährdete Art sind. Und sie sind hervorrage­nde Architekti­nnen! Und dann gibt es noch Mäuse, die uns einmal ein nigelnagel­neues Paar Damenschuh­e weggefress­en haben, und Füchse, die eines Nachts einen Herrenschu­h durch die Landschaft getragen und irgendwo im Wald deponiert haben.

Wir setzen die Symbiose mit den Tieren gern auch in Zukunft fort, aber nur, wenn sie unser Haus und unsere Fauteuils im Salettl in Zukunft in Ruhe lassen. Wir befürchten ja jetzt schon, dass sich die Mäuse in der kalten Jahreszeit durch die schöne, neue Polsterung der Fauteuils fressen und hier ihre Winterresi­denz errichten werden. Das wäre echt nicht okay.

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„Unser Wohnort ist Inspiratio­n, Experiment und Arbeitsort zugleich.“Iris Andraschek und Hubert Lobnig in ihrem Open-Air-Wohnzimmer im Waldvierte­l.

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