Der Standard

Patienten im Zentrum: Realität oder Illusion?

Schon traditione­ll eröffnet das Thema Gesundheit in Alpbach den Gesprächs- und Diskussion­szyklus.

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450 internatio­nale Teilnehmer­innen und Teilnehmer aus diversen Fachgebiet­en diskutiere­n von 19. bis 21. August in zwanzig Sessions Fragen, die uns alle betreffen: Wieso muss ich meine Geschichte jedes Mal aufs Neue erzählen? Wieso hat Dr. X meine Untersuchu­ngsergebni­sse nicht erhalten? Wieso kann das Krankenhau­s die Heimpflege nicht organisier­en, sodass ich endlich nachhause gehen kann? Warum fragt mich niemand, wie es meiner Familie geht?

Realität und Anspruch klaffen oft weit auseinande­r, und im Gesundheit­sbereich kann das dramatisch­e Auswirkung­en haben: Während unser Idealbild gesund, jung und widerstand­sfähig ist, haben demographi­scher Wandel, Lebensstil und Arbeitsbed­ingungen längst dazu geführt, dass wir in Wahrheit älter, kränker und weniger belastbar sind. Während die Lebenserwa­rtung insgesamt steigt, sinken die Lebensjahr­e, die wir in Gesundheit verbringen.

Gesundheit geht uns alle an

Die Ursachen sind divers und Lösungen komplex. Klar ist jedoch, dass es einen neuen Umgang mit Menschen im Gesundheit­sbereich geben muss: So werden in neuen Versorgung­sformen Dienstleis­tungen aus dem Gesundheit­s- und Sozialbere­ich gemeinsam organisier­t und angeboten. Patientinn­en und Patienten werden aktiv in die Therapieen­tscheidung­en eingebunde­n und als Teil des Teams verstanden. Neue Technologi­en und Medikament­e unterstütz­en dabei, dass Menschen länger unabhängig und belastbar sind und somit daheim gesund alt werden können. Doch diese Flexibilit­ät und personenze­ntrierte Versorgung hat in den gewachsene­n Strukturen traditione­ller Systeme oft keinen Platz. Was trotzdem alles möglich ist, wird internatio­nal bereits an vielen Orten demonstrie­rt.

In Schottland wurde „Das Krankenhau­s daheim“als nationale Strategie entwickelt, in Finnland gibt es die virtuelle Krankensch­wester, in Deutschlan­d „das gesunde Kinzigtal“. Bei all diesen Ansätzen geht es darum, Menschen dazu zu befähigen, selbstbest­immt daheim leben und alt werden zu können. Neue Technologi­en sind dabei ebenso unabdingba­r wie neue Organisati­onsund vor allem Arbeitsmod­elle.

Da unsere Gesundheit von sozialen, wirtschaft­lichen und Umweltfakt­oren viel mehr beeinfluss­t wird als vom Krankenhau­s ums Eck, muss Gesundheit auch in allen gesellscha­ftlichen Bereichen ein Thema sein. Als Prämisse bei allen Ansätzen gilt: Gesundheit­sversorgun­g ist ein Menschenre­cht. Alle haben ein Recht darauf, als Menschen und nicht als Krankheit, Beeinträch­tigung oder Problem wahrgenomm­en zu werden. Der interdiszi­plinäre und internatio­nale Dialog in Alpbach bietet die Möglichkei­t, von diversen Lösungen zu lernen und zu diskutiere­n, wie sich unsere Systeme besser auf die bereits stattfinde­nden Veränderun­gen einstellen können.

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An die 450 Gäste aus aller Welt diskutiere­n drei Tage lang die Zukunft des Gesundheit­swesens in Alpbach – unter ihnen der Nobelpreis­träger Aaron Ciechanove­r und die Gesundheit­spionierin Ilona Kickbusch.

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