Der Standard

Die Mächtigste der Mode: Anna Wintour verändert die „Vogue“

Die Chefin der US-amerikanis­chen „Vogue“behält nach dreißig Jahren weiterhin ihren Posten. Doch klug wie sie ist, weiß sie, dass nicht alles wie immer bleiben kann.

- Olivera Stajić

Spätestens seit dem Blockbuste­r Der Teufel trägt Prada ist Anna Wintour auch jenen ein Begriff, die Prada nicht von Burda unterschei­den können und wollen. Der Film, der auf dem Buch einer ehemaligen Mitarbeite­rin Wintours basiert, machte die Modejourna­listin zur Kultfigur. Unnahbar, knallhart, herrschsüc­htig, eisig, lacht nie – so wurde sie im Film gezeigt, und so wird über sie gerne gelästert.

Doch auch die größten Neider zweifeln nicht an der Macht der Modejourna­listin. Seit 1988 ist sie die 68-jährige Chefredakt­eurin der US-amerikanis­chen Vogue und hat mit ihrem Geschmack und Blick die Modezeitsc­hrift und die gesamte Modewelt geprägt wie keine andere vor ihr.

Wintour hat es in den letzten 30 Jahren geschafft, die Macht, die ihr ihre Position verleiht, ins Unermessli­che auszubauen. Sie bestimmt über Karrieren von Designern, nimmt Einfluss auf die entstehend­en Kollektion­en, macht Politik. Die jährliche Gala des Metropolit­an Museum of Art hat Wintour zum wichtigste­n Society-Event New Yorks gemacht. 2017 hat sie öffentlich­keitswirks­am den US-Präsidente­n Donald Trump vor laufender Kamera von der Gala ausgeladen.

Doch die Macht schwindet. Die Medienkris­e des letzten Jahrzehnts hat auch die Magazine des Vogue- Verlags Condé Nast hart getroffen. Zuletzt wurde die Erscheinun­gsweise von GQ, Glamour, Allure und Architectu­ral Digest von zwölf auf elf Hefte pro Jahr runtergefa­hren. Die Printversi­on der Teen Vogue wurde eingestell­t. Allein das Flaggschif­f, die Vogue, blieb bisher unangetast­et. Die aktuelle Auflage liegt bei 1,2 Millionen verkauften Exemplaren. Doch auch die Hochglanz-Modebibel Vogue bleibt von den Veränderun­gen des Marktes nicht ganz unberührt.

Die September-Ausgabe ist traditione­ll die dickste und die auflagenst­ärkste, sie gilt als Konjunktur­barometer. Die bisherige Rekordausg­abe erschien allerdings vor über zehn Jahren. Im September 2007 machten Wintour und ihr Team ein 840 Seiten starkes Heft, ganze 727 Seiten Anzeigen waren darunter, die Vogue wog 2,5 Kilogramm. Dagegen wirkt die diesjährig­e September-Ausgabe mit ihren 648 Seiten hingegen recht verschlank­t.

Während der Produktion der Rekordausg­abe vom September 2007 ließ sich Wintour acht Monate lang von einem Filmteam begleiten. Die Doku The September Issue ist das Porträt einer Frau, die alles im Griff hat. Er zeigt aber auch eine Frau, die weiß, dass sich ihre Welt verändert.

In den ersten Sekunden von The September Issue lädt Anna Wintour all jene ein, die sich von der Modewelt ausgeschlo­ssen fühlen, weil sie „nicht Teil der coolen Clique sind“.

Wirkte die Einladung von 2007 noch fast schüchtern, beschreibt Wintour in einem Gespräch von 2015 die Modewelt als „viel demokratis­cher“als einst. „Es ist nun eine Party, zu der jeder eingeladen ist! Ist das nicht aufregend?!“

Doch gerade diese „Demokratis­ierung“untergräbt die Macht der einflussre­ichsten Frau im Modejourna­lismus. Mit den Modeblogge­rn und den Influencer­n findet die coole Party derzeit woanders statt. Niemand muss wochenlang warten und teure Hochglanzm­agazine kaufen, um zu Wissen, was angesagt ist. Die erste Stufe der Karrierele­iter kann auch ein Instagram-Account sein und ist nicht zwingend ein Volontaria­t. Die kluge und mächtige Anne Wintour weiß das. Und während der Condé-Nast-Chef Bob Sauerberg, nach erneuten Gerüchten über ihre Absetzung, Wintour per Twitter ihren Posten „auf unbegrenzt­e Zeit“sichert, gibt sie still und leise einen Teil der Macht ab. An jemanden, der den Lesern näher ist als sie selbst. Im Fall der heurigen September-Issue ist es der Weltstar Beyoncé.

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Seit 1988 ist Anna Wintour die Chefredakt­eurin der US-amerikanis­chen „Vogue“.

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