Die Mächtigste der Mode: Anna Wintour verändert die „Vogue“
Die Chefin der US-amerikanischen „Vogue“behält nach dreißig Jahren weiterhin ihren Posten. Doch klug wie sie ist, weiß sie, dass nicht alles wie immer bleiben kann.
Spätestens seit dem Blockbuster Der Teufel trägt Prada ist Anna Wintour auch jenen ein Begriff, die Prada nicht von Burda unterscheiden können und wollen. Der Film, der auf dem Buch einer ehemaligen Mitarbeiterin Wintours basiert, machte die Modejournalistin zur Kultfigur. Unnahbar, knallhart, herrschsüchtig, eisig, lacht nie – so wurde sie im Film gezeigt, und so wird über sie gerne gelästert.
Doch auch die größten Neider zweifeln nicht an der Macht der Modejournalistin. Seit 1988 ist sie die 68-jährige Chefredakteurin der US-amerikanischen Vogue und hat mit ihrem Geschmack und Blick die Modezeitschrift und die gesamte Modewelt geprägt wie keine andere vor ihr.
Wintour hat es in den letzten 30 Jahren geschafft, die Macht, die ihr ihre Position verleiht, ins Unermessliche auszubauen. Sie bestimmt über Karrieren von Designern, nimmt Einfluss auf die entstehenden Kollektionen, macht Politik. Die jährliche Gala des Metropolitan Museum of Art hat Wintour zum wichtigsten Society-Event New Yorks gemacht. 2017 hat sie öffentlichkeitswirksam den US-Präsidenten Donald Trump vor laufender Kamera von der Gala ausgeladen.
Doch die Macht schwindet. Die Medienkrise des letzten Jahrzehnts hat auch die Magazine des Vogue- Verlags Condé Nast hart getroffen. Zuletzt wurde die Erscheinungsweise von GQ, Glamour, Allure und Architectural Digest von zwölf auf elf Hefte pro Jahr runtergefahren. Die Printversion der Teen Vogue wurde eingestellt. Allein das Flaggschiff, die Vogue, blieb bisher unangetastet. Die aktuelle Auflage liegt bei 1,2 Millionen verkauften Exemplaren. Doch auch die Hochglanz-Modebibel Vogue bleibt von den Veränderungen des Marktes nicht ganz unberührt.
Die September-Ausgabe ist traditionell die dickste und die auflagenstärkste, sie gilt als Konjunkturbarometer. Die bisherige Rekordausgabe erschien allerdings vor über zehn Jahren. Im September 2007 machten Wintour und ihr Team ein 840 Seiten starkes Heft, ganze 727 Seiten Anzeigen waren darunter, die Vogue wog 2,5 Kilogramm. Dagegen wirkt die diesjährige September-Ausgabe mit ihren 648 Seiten hingegen recht verschlankt.
Während der Produktion der Rekordausgabe vom September 2007 ließ sich Wintour acht Monate lang von einem Filmteam begleiten. Die Doku The September Issue ist das Porträt einer Frau, die alles im Griff hat. Er zeigt aber auch eine Frau, die weiß, dass sich ihre Welt verändert.
In den ersten Sekunden von The September Issue lädt Anna Wintour all jene ein, die sich von der Modewelt ausgeschlossen fühlen, weil sie „nicht Teil der coolen Clique sind“.
Wirkte die Einladung von 2007 noch fast schüchtern, beschreibt Wintour in einem Gespräch von 2015 die Modewelt als „viel demokratischer“als einst. „Es ist nun eine Party, zu der jeder eingeladen ist! Ist das nicht aufregend?!“
Doch gerade diese „Demokratisierung“untergräbt die Macht der einflussreichsten Frau im Modejournalismus. Mit den Modebloggern und den Influencern findet die coole Party derzeit woanders statt. Niemand muss wochenlang warten und teure Hochglanzmagazine kaufen, um zu Wissen, was angesagt ist. Die erste Stufe der Karriereleiter kann auch ein Instagram-Account sein und ist nicht zwingend ein Volontariat. Die kluge und mächtige Anne Wintour weiß das. Und während der Condé-Nast-Chef Bob Sauerberg, nach erneuten Gerüchten über ihre Absetzung, Wintour per Twitter ihren Posten „auf unbegrenzte Zeit“sichert, gibt sie still und leise einen Teil der Macht ab. An jemanden, der den Lesern näher ist als sie selbst. Im Fall der heurigen September-Issue ist es der Weltstar Beyoncé.