Der Standard

Woher kommstdu eigentlich?

Mit dieser Frage werden Menschen mit Migrations­hintergrun­d ständig konfrontie­rt. Wie sehr das nervt und wie selten diese Genervthei­t auf Verständni­s stößt, zeigt dieser Auszug aus der #MeTwo-Debatte. Zwei Autoren, zwei Erzählunge­n – und Beiträge dazu aus

- Noura Maan Hasnain Kazim

Es gäbe so viele Möglichkei­ten, ein Gespräch zu beginnen. Etwa mit „Wie geht’s dir?“oder „Was machst du so?“. Als Journalist­in habe ich einen ziemlich interessan­ten Job. Meine Hobbys erstrecken sich von Acro Yoga über Dungeons-and-Dragons-Rollenspie­le bis zu einer Begeisteru­ng für American Football – über all das könnten wir sprechen. Stattdesse­n kommt immer wieder die Frage: „Woher kommst du eigentlich?“An einer Hand kann ich nicht einmal abzählen, wie oft ich sie allein diesen Sommer gehört habe. Für mein Gegenüber ist es eine selbstvers­tändliche Frage, oft mit ernsthafte­m Interesse verbunden. Ich aber werde damit gleich zu Beginn auf eine Äußerlichk­eit reduziert.

Wenn ich darauf wahrheitsg­emäß mit „Wien“antworte, wird das leider selten akzeptiert. Meistens gibt es dann eine unangenehm­e Pause, ich merke, es rattert im Kopf meines Gegenübers. Dann folgt meistens ein „Aber woher kommst du wirklich?“, womit dann auch noch unterstell­t wird, ich hätte zuvor gelogen.

Manchmal ist es mir zu blöd. Manchmal antworte ich mit „Aus Wien, aber meine Eltern sind aus dem Irak“, um es abzukürzen, das Thema zu wechseln. Ich schäme mich nicht für die Antwort, ganz im Gegenteil. Die Häufigkeit, mit der ich mit der Frage konfrontie­rt werde, nervt aber einfach.

Es sei doch nur Neugier, sagen die Fragenden oft als Antwort auf Kritik. Harmlose Neugier. Vielleicht ist es das für die fragende Person tatsächlic­h. Aber für mich als immer wiederkehr­endes, unfreiwill­iges Objekt dieser Neugier ist sie alles andere als harmlos. Ein Perspektiv­enwechsel zeigt, warum. Der simple Versuch zu verstehen, was es bedeutet, diese Frage jedes Mal zu hören, wenn man jemanden kennenlern­t.

Natürlich gibt es Menschen, die gern und ausgiebig antworten. Aber es gibt eben auch jene, die nicht gern am Anfang eines Gesprächs ihre komplette Familienge­schichte offenlegen wollen – vielleicht auch weil sie dieses Land, das andere als ihre „eigentlich­e“Heimat begreifen, gar nicht kennen. Ich werde daran erinnert, dass es nicht „normal“ist, nicht akzeptiert wird, dass eine Österreich­erin nichtweiße­r Hautfarbe vor einem steht. Ich werde zur Fremden, zur Anderen gemacht. So ein Gespräch kann ich nicht auf Augenhöhe führen.

Ist doch eine ganz normale Frage, sagt ein Bekannter. Die bekomme er auf Reisen auch ständig zu hören. Der Unterschie­d: Ich bin in Österreich nicht auf der Durchreise, sondern habe mein ganzes Leben hier verbracht, spreche fließend Deutsch, kenne kein anderes Zuhause als dieses. Diese Frage gestellt zu bekommen gibt mir immer und immer wieder das Gefühl, dass ich trotzdem nicht dazugehöre.

Noura Maan ist Außenpolit­ik-Redakteuri­n des

STANDARD.

Ich weiß nicht, wie oft ich das in meinem Leben schon gefragt wurde: „Wo kommst du eigentlich her?“Ich antworte darauf: „Aus Hamburg.“„Aber woher kommst du richtig?“„Richtig komme ich aus Oldenburg, da bin ich geboren, aber eigentlich aus Stade in Niedersach­sen, da bin ich aufgewachs­en. Genau genommen in Hollern-Twielenfle­th, einem Dorf im Alten Land, an der Elbe.“„Schon klar, aber wo liegen deine Wurzeln?“„Meine Wurzeln? Also, jetzt wird’s aber sehr persönlich, wieso willst du das denn wissen?“

Ist es Rassismus, wenn man Menschen mit dunklerer Hautfarbe nach ihrer Herkunft fragt? Das kommt ganz auf die Situation an. Wer fragt? Und warum? Aus Neugier? Oder will da jemand eine Trennlinie ziehen zwischen sich selbst und mir? Will man mir verdeutlic­hen, dass ich kein „richtiger Deutscher“sein kann? Es ist ähnlich vertrackt wie das – manchmal vergiftete – Lob, das ich bisweilen zu hören bekomme: „Sie sprechen aber gut Deutsch!“

Gelegentli­ch sind rassistisc­he Untertöne zu hören, vermutlich nimmt man sie nur wahr, wenn man selbst betroffen ist. Es ist ein Rassismus, der nicht vergleichb­ar ist mit dem Anzünden von Flüchtling­sheimen, den NSU-Morden oder auch mit einer Politik, die Menschen als „Kulturfrem­de“stigmatisi­ert. Aber auch solche kleinen Alltagsras­sismen zeigen nach einiger Zeit Wirkung. Vor allem wenn sie wieder und wieder stattfinde­n.

Früher, als Jugendlich­er, habe ich mich oft geärgert über solche Begebenhei­ten. Heute antworte ich, wenn mir jemand sagt, ich spreche gut Deutsch: „Oh, Sie auch.“Und wenn mich jemand nach meiner Herkunft fragt, erkenne ich darin meist echtes Interesse. Klar sieht man mir meine Wurzeln in einem anderen Teil der Welt an, warum sollte ich nicht zu ihnen stehen? Wenn ich Lust habe, beantworte ich also die Frage und erzähle von meinen indischen und pakistanis­chen Wurzeln, von der britischen Kolonialze­it, der Teilung des indischen Subkontine­nts und dem schwierige­n Prozess, Deutscher zu werden. Und dann frage ich auch mein Gegenüber nach dessen Herkunft. Meist entsteht ein gutes Gespräch, man lernt Menschen kennen.

Seit zwei Jahren lebe ich in Wien, und anders als in Deutschlan­d wurde ich hier noch nie gefragt, woher ich komme. Im Gegenteil, ich sage ein paar Sätze, und schon sagt man mir: „Sie sind Deutscher, oder?“Während ich in Deutschlan­d also dafür streiten muss, deutlich zu machen, dass auch Menschen wie ich Deutsche sein können (die sind längst nicht mehr alle blond und blauäugig), bin ich es für die Österreich­er wie selbstvers­tändlich. Hier werde ich als derjenige erkannt, der ich bin: endlich Deutscher!

Hasnain Kazim ist Korrespond­ent von „Spiegel Online“und „Der Spiegel“in Österreich.

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