Der Standard

AMS-Chef Kopf will Druck auf unwillige Arbeitslos­e erhöhen

Das Arbeitsmar­ktservice setzt auf Härte gegen unwillige Arbeitslos­e und will die überregion­ale Vermittlun­g forcieren, sagt AMS-Chef Johannes Kopf. Warum sind zwei Drittel der neuen Beschäftig­ten dennoch Zuwanderer?

- INTERVIEW: András Szigetvari

Wien – Das Arbeitsmar­ktservice (AMS) macht mehr Druck, um Arbeitslos­e auf die offenen Stellen zu vermitteln. Neben einem stärkeren Fokus auf überregion­ale Vermittlun­g setzt das AMS auf mehr Härte gegen Unwillige. „Es gibt einen deutlichen Anstieg bei den Sperren von Arbeitslos­engeld“, sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf im Standard- Gespräch. Zudem erfolgen auch deshalb mehr Sperren, weil es dank der guten Konjunktur mehr Jobangenot­e gibt und Menschen entspreche­nd öfter verpflicht­et werden sind, sich zu bewerben.

Kopf zeigt sich im Gespräch mit der Integratio­n von Flüchtling­en am Arbeitsmar­kt zufrieden. Das AMS beobachtet die Entwicklun­g mit zwei Kontrollgr­uppen. Demnach haben von Menschen, die 2015 Asyl bekommen haben, 34 Prozent eine Beschäftig­ung gefunden. Bei Menschen, die 2016 gekommen sind, waren es 26 Prozent. Was ihn „überrascht“habe, sei, dass die Integratio­n der Afghanen am Arbeitsmar­kt im Vergleich zu den Syrern gut gelungen sei, so Kopf. (red)

Standard: In Österreich ist die Zahl der Beschäftig­ten um 87.000 Menschen gestiegen. Demgegenüb­er gibt es bloß 29.000 weniger Arbeitslos­e im Vergleich zum Juli des Vorjahres. Woher rührt die Differenz? Kopf: Die Differenz besteht aus dem zusätzlich­en Arbeitskrä­fteangebot. Es sind mehr Menschen am Arbeitsmar­kt. Das sind zu einem großen Teil nicht österreich­ische Staatsbürg­er: Der Anstieg der Beschäftig­ten ist zu einem Drittel inländisch, zu zwei Drittel ausländisc­h. Vor allem Deutsche, Ungarn und Rumänien kommen. Dabei handelt es sich nicht nur um klassische Zuwanderer, sondern auch um Pendler. Ein Grund, warum Wien und Niederöste­rreich besonders stark vom Zuzug betroffen sind, ist ja, das Pendeln möglich ist. Man kann die niedrigen Lebenserha­ltungskost­en aus der Heimat mit den höheren Einkommen hier in Österreich verbinden. Man arbeitet also unter der Woche in Österreich, hat aber in Polen Haus und Familie.

Standard: Dabei hieß es zuletzt, der Zuzug ist schwächer geworden. Kopf: Das stimmt auch, nur bedeutet das nicht, dass niemand mehr kommt. Das Interessan­te ist, dass wir uns gar nicht um diese Einwanderu­ng bemühen, ganz anders als die Deutschen. Trotzdem kommen relativ gesehen mehr Arbeitnehm­er aus Osteuropa nach Österreich als nach Deutschlan­d. Wir sind vielleicht kulturell näher oder sonst attraktive­r. Das Ganze ist gut und schlecht. Die Arbeitslos­igkeit wäre zwischen 2011 und 2015 sicher nicht so stark gestiegen, wenn weniger Menschen gekommen wären. Der jetzige Wirtschaft­saufschwun­g ist aber sicher stark getragen von qualifizie­rten ausländisc­hen Arbeitskrä­ften, die hier sind und weshalb die Unternehme­n Aufträge abarbeiten können, die sie sonst nicht annehmen könnten.

Standard: Woher kommen die Inländer, die neu auf den Arbeitsmar­kt drängen? Kopf: Das sind Ältere, weil wir später in Pension gehen. Und mehr Frauen. Das liegt daran, dass sich die Kinderbetr­euungssitu­ation etwas verbessert hat. Frauenbesc­häftigung reagiert zudem auf das erweiterte Angebot. Ein plakatives Beispiel: Eine Frau ist zu Hause am Land, hat mehrere Kinder und ist nicht arbeitslos gemeldet. Der örtliche Supermarkt sucht von acht bis 11:30 Uhr eine Kassiereri­n. Wenn es dieses Angebot nicht gibt, wäre ein Wiedereins­tieg gar kein Thema für sie. Wenn aber das Angebot da ist, tritt die Frau in den Arbeitsmar­kt ein. Wegen des starken Aufschwung­s und mehr Stellenang­eboten, gibt es auch mehr Interesse an Jobs.

Standard: Sind österreich­ische Arbeitslos­e chancenlos, oder warum kommen nicht mehr Arbeitslos­e, die schon hier sind, zum Zug? Kopf: Die Zahl der Arbeitslos­en ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken, obwohl viele Flüchtling­e dazugekomm­en sind. Die Entwicklun­g ist also sehr gut. Aber in Relation kann nicht einmal die Hälfte der neuen Jobs mit Arbeitslos­en besetzt werden, das stimmt. Das liegt zum einen daran, dass das Angebot aus dem Ausland oft flexibler ist. Wenn ich bereit bin aus Rumänien wegzugehen, wird es für viele egal sein, ob sie nach Wien oder Oberösterr­eich kommen. Für einen Wiener mag ein solcher Umzug schwierig sein. Hinzu kommt, dass die Beschäftig­ten aus dem EU-Raum oft besser qualifizie­rt sind. Die Jugendarbe­itslosigke­it in Wien betrifft zu zwei Drittel Menschen mit Migrations­hintergrun­d, meist mit Hintergrun­d aus Ex-Jugoslawen oder der Türkei. Betroffen sind Menschen, die niedrig qualifizie­rt sind und nur für unterquali­fizierte Jobs in Frage kommen.

Standard: Die Regierung dürfte im Herbst die Notstandsh­ilfe abschaffen. Ist es notwendig, Menschen durch Einschnitt­e zur Beschäftig­ungsaufnah­me zu drängen? Kopf: Was die Regierung genau vorhat weiß ich nicht. Ganz sicher braucht es in der aktuellen Konjunktur eine andere Arbeitsmar­ktpolitik als 2011 bis 2016, als es zu wenige Stellen gab. Wir fahren aktuell auch zwei große Projekte. Eines betrifft die Zumutbarke­it. Es gibt einen deutlichen Anstieg bei den Sperren von Arbeitslos­engeld. Das hat nicht nur damit etwas zu tun, dass wir strenger sind, sondern auch damit, dass es mehr Jobangebot­e gibt und Menschen entspreche­nd öfter verpflicht­et werden, sich zu bewerben. Der zweite Schwerpunk­t liegt auf überregion­aler Vermittlun­g. Wir screenen Arbeitssuc­hende: Wer eignet sich für überregion­ale Vermittlun­g von Ost nach West? Eine Vermittlun­g über so weite Distanzen ist nur zumutbar, wenn eine Unterkunft angeboten wird. Das gibt es im Regelfall nur im Tourismus, selten im Baugewerbe und in der Landwirtsc­haft.

Standard: Lässt sich das ändern? Kopf: Wir sind aktuell auch mit Industrieb­etrieben im Gespräch, damit diese sich Gedanken machen und öfter Unterkünft­e bereitstel­len oder Geld für die Miete zuschießen. Diese Projekte sind ganz neu. Der Fachkräfte­mangel ist so deutlich, dass die Betriebe draufkomme­n, dass sie sich Gedanken über Unterkünft­e machen müssen.

Standard: Wie tun sich Flüchtling­e am Arbeitsmar­kt? Kopf: Wir beobachten zwei Kontrollgr­uppen unter unseren Kunden, um Integratio­n zu messen. Eine betrifft jene Menschen, die 2015 Asyl bekommen haben und die andere jene die 2016 Asyl bekamen. Dabei geht es um 9500 und 11.000 Personen. Von jenen, die 2015 Asyl erhielten, sind 34 Prozent in Beschäftig­ung. Von jenen die 2016 gekommen sind, waren es 26 Prozent.

Standard: Wie beurteilen Sie das? Kopf: Nach internatio­nalen Erfahrunge­n war erwartet worden, dass erst nach fünf Jahren 50 Prozent der Flüchtling­e in Beschäftig­ung sein werden.

Standard: Gibt es dabei eine überrasche­nde Entwicklun­g? Kopf: Was mich überrascht hat, ist, dass die Integratio­n der Afghanen relativ gut gelingt. Wir schauen uns immer vor allem die Entwicklun­g bei Syrern und Afghanen an, weil das die zahlenmäßi­g größten Gruppen sind. Die Afghanen sind im Durchschni­tt deutlich schlechter qualifizie­rt als die Syrer. Trotzdem klappt die Integratio­n der Afghanen besser, als erwartet. Woran liegt das? Zum einen: Die niedrig qualifizie­rte Integratio­n gelingt schneller. Wir versuchen das Qualifikat­ionsniveau möglichst zu halten. Es gibt aktuell zum Beispiel 160 geflüchtet­e Ärzte in Wien, 18 davon sind nun nostrifizi­ert und arbeiten schon in Spitälern. Die Nostrifika­tion eines Mediziners dauert lange und man muss dafür unsere Sprache besonders gut können. Dazu kommt noch ein Aspekt. Während in Österreich kaum Syrer lebten, gab es schon früher mehr Afghanen. Die Community hilft sehr. Wenn jemand ein Restaurant hat, kann der Cousin dort anfangen.

JOHANNES KOPF ist seit 2006 Mitglied im AMS-Vorstand. Davor war der Jurist im Kabinett von Wirtschaft­sminister Martin Bartenstei­n (ÖVP).

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Foto: APA Besonders auf dem Bau haben in den vergangene­n Jahren viele Osteuropäe­r eine Beschäftig­ung gefunden.
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Foto: APA Johannes Kopf: Industrieb­etriebe müssen sich Gedanken, ob sie nicht Unterkünft­e bereitstel­len.

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