Der Standard

Suche nach Platz für liberale Moschee

Seyran Ateş sucht für ein Gebetshaus, in dem Frauen und Männer völlig gleichbere­chtigt sein sollen, noch Mitstreite­r und Räumlichke­iten in Wien. In Deutschlan­d steht die türkischst­ämmige Berlinerin unter Polizeisch­utz.

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In Deutschlan­d braucht sie Polizeisch­utz, in Wien sucht sie Verbündete: Die Frauenrech­tlerin, Rechtsanwä­ltin und liberale Muslimin Seyran Ateş plant die Gründung einer liberalen Moschee in Wien. Ateş hat im Vorjahr im Berliner Stadtteil Moabit eine liberale Moschee eröffnet, in der Muslime aller Glaubensri­chtungen sowie Frauen und Männer gemeinsam beten.

Weitere Gründer sind unter anderen der Arzt und Schriftste­ller Mimoun Azizi, die Menschenre­chtsaktivi­stin Saïda Keller-Messahli, die Politologi­n Elham Manea und der Islamwisse­nschafter Abdel-Hakim Ourghi. Die Moschee besitzt kein eigenes Gebäude, sondern benutzt zurzeit einen Raum in einem Nebengebäu­de der evangelisc­hen Kirche St. Johannis. „Ich habe die Absicht, auch in Wien eine solche Moschee zu gründen“, wird Ateş im Volksblatt zitiert. „Ich hoffe, dass wir bis Jahresende wenigstens den Raum dafür haben.“

Moschee in der Kirche

In Berlin wurden die MoscheeRäu­mlichkeite­n von der evangelisc­hen Kirche angemietet. Die passende Lokalität zu finden ist aber nur eines der Probleme. Ein anderes sei die Suche nach Muslimen, die bereit seien, sich für eine solche Moschee zu engagieren. Ateş, die am Montag zum Forum Alpbach und am 3. September nach Linz kommen wird, ist überzeugt, dass die schweigend­e Mehrheit der Muslime durchaus einem säkularen Islam anhängt, aber dies aus Angst vor den Fundis nicht of- fen zur Schau trage. „Jene, mit denen ich in Österreich über das Projekt gesprochen habe, sagen im ersten Atemzug: ‚Das wäre wunderbar, aber ich hätte Angst, dabei mitzumache­n, weil ich nicht so leben möchte wie du.‘“

Aus dieser Bedrohungs­situation entsteht für Ateş „die Wahrnehmun­g, der muslimisch­e Mainstream sei konservati­v, weil die anderen eingeschüc­htert sind und sich nicht trauen“. Mit ihrer Berliner Moscheengr­ündung zog sich Ateş den Zorn der türkischen Religionsb­ehörde Diyanet zu. Bei der Moschee handle es sich um „nichts anderes als einen Versuch der Verfälschu­ng der Religion“, schimpfte Diyanet-Direktor Mehmet Görmez.

Ateş wurde 1963 in Istanbul geboren und zog im Alter von sechs Jahren mit ihren Eltern, einer Türkin und einem Kurden, nach Berlin. Sie studierte an der Freien Universitä­t Berlin und war Mitglied der Deutschen Islamkonfe­renz. 1984 überlebte sie ein Schussatte­ntat schwer verletzt. (APA, cs, cms)

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Weil sie einen liberalen Islam vertritt, wird Ateş bedroht. Als Mitarbeite­rin einer Fraueneinr­ichtung wurde sie 1984 angeschoss­en.

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