Der Standard

Abrechnung mit „America first“

- INTERVIEW: Dominik Kamalzadeh

So nahe dran an Verschwöru­ngsfilmen war die politische Gegenwart noch nie, meint Spike Lee. In seinem Film „BlacKkKlan­sman“fühlt er den Rechten auf den Zahn.

Über den kleinen Umweg der 1970er-Jahre erzählt Spike Lee in BlacKkKlan­sman von Extremen, die für die USA heute noch bestimmend sind. Die dem Film zugrundeli­egende Geschichte ist so haarsträub­end, dass man kaum glauben will, dass sie sich wirklich zugetragen hat. Doch Ron Stallworth, den schwarzen Cop (John David Washington), der mit seinem jüdischen Kollegen (Adam Driver) den Ku-KluxKlan infiltrier­te, gab es wirklich.

Mit BlacKkKlan­sman, in Cannes mit dem Großen Preis der Jury ausgezeich­net, ist Spike Lee ein Film der Stunde geglückt, eine politische Satire im Tarngewand des Polizeidra­mas: pointiert, komisch, grell und auch ein wenig didaktisch. Wir trafen Lee in einer Hotelsuite in London, wo er sich mit Kapitänsmü­tze auf dem Kopf auch um Kommentare über die politische­n Turbulenze­n nicht verlegen zeigte.

STANDARD: Mr. Lee, stimmt das Gerücht, dass Sie gerne den zornigen Mann markieren? Wie sieht es dieser Tage damit aus? Lee: Das wurde immer ein wenig übertriebe­n: Spike Lee, der schwarze Mann, der sich nie entspannen kann! Ja, ich habe kämpferisc­he Filme gemacht, aber wenn ich auf die 32 Jahre zurückblic­ke, die ich nun Regisseur bin, war ich nicht immer so. Ärger kann außerdem eine Art Hunger sein. Und er kann helfen. Das war schon bei meiner Figur Mookie in

Do the Right Thing so, die sich damit ein Ventil verschafft­e.

STANDARD: In „Do the Right Thing“, der 1989 ins Kino kam, gibt es auch schon Anspielung­en auf einen gewissen Donald Trump. Lee: Sie meinen Agent Orange? Ich spreche seinen Namen nicht aus. Ja, ich konnte den Typen von Anfang an nicht leiden. Schon damals hatte das Gericht von New York einiges gegen ihn laufen.

STANDARD: In „BlacKkKlan­sman“finden sich Verweise auf seine „America first“-Politik. Und Sie haben Material aus Charlottes­ville ans Ende gestellt.

Lee: Ja, ich wollte den Film mit der Gegenwart verbinden. Man konnte miterleben, wie der Präsident am 12. August 2017 auf den hausgemach­ten Terror reagiert hat. Er hat sich geweigert, die Rechten und den Klan zu verurteile­n. Als Neonazi denkt man da doch: „Großartig, ich habe einen Freund im Weißen Haus!“Er hatte die Chance, als Präsident zu sagen, dass Amerika kein Ort für Hass ist. Machte er aber nicht.

STANDARD: Mit welchen Gefühlen betrachten Sie da die jüngsten Entwicklun­gen von Robert Muellers Ermittlung­en gegen Trump?

Lee: Da tobt bereits ein Todeskampf. Sie werden dafür ins Gefängnis gehen. Der Brief, der letzten Donnerstag herauskam – haben Sie von dem gehört? Der ist von 13 Ex-Generälen und CIALeuten unterzeich­net. Sie sagen, der Typ sei eine Bedrohung für die Sicherheit der USA. Die sind nicht Jesse Jackson, keine Hippies oder andere Radikale – das sind Army, Navy, CIA. Hardcore-Rechte. Mann, das ist historisch. Die Fakten sind da. Kennen Sie den Film The Manchurian Candidate?

STANDARD: Ja, Laurence Harvey spielt einen Politiker, der als Marionette einer rechten Verschwöru­ng dient ...

Lee: Als ordentlich­er Filmprofes­sor in New York habe ich gleich noch eine Empfehlung für Ihre Leser: A Face in the Crowd von Elia Kazan mit Andy Griffith aus dem Jahr 1957. Alles, was man heute erleben kann, ist in diesen Filmen bereits enthalten. Dass ein fremdes Land, ausgerechn­et Russland, die US-Präsidents­chaftswahl beeinfluss­t: Faktum. Als mich Anderson Cooper auf CNN unlängst fragte, wie ich über den Präsidente­n denke, sagte ich: „Putin?“Er konnte 30 Sekunden nicht mehr sprechen! Das ist aber kein Märchen, Leute. Der lenkt den Laden.

STANDARD: Auf zwei weniger hellsichti­ge Arbeiten gehen Sie im Film ein: „Gone with the Wind“und „Birth of a Nation“.

Lee: Als ich die Filme während meines Studiums sah, dachte der Lehrer nicht daran, welchen Eindruck sie auf schwarze Studenten machten. Gone with the Wind hat den Bürgerkrie­g romantisie­rt. Hattie McDaniel bekam für ihre Darstellun­g einer Sklavin den Oscar, durfte aber nicht zur Verleihung.

Birth of a Nation wurde dazu benutzt, den Ku-Klux-Klan wieder in die Gänge zu bringen. Man muss die ganze Geschichte erzählen.

STANDARD: „BlacKkKlan­sman“ist auch eine Hommage an die Blaxploita­tion-Welle der 70er-Jahre – die war auch nicht unumstritt­en.

Lee: Ich wuchs in den 70er-Jahren in Brooklyn auf, ich wurde mit Filmen wie Superfly groß. Ein Kokaindeal­er mit Superkräft­en? Na- türlich waren diese Filme ziemlich stereotypi­sierend. Aber dennoch war es toll, Schwarze auf der großen Leinwand zu sehen.

STANDARD: Das Black Cinema ist heute mannigfalt­ig aufgestell­t – von Barry Jenkins über Ava DuVernay bis Jordan Peele. Nicht allen geht es um Politik – ein Fortschrit­t?

Lee: Die müssen nicht alle kämpferisc­h sein. Ich sage auch nur „a Spike Lee Joint“, gebe dem Publikum keine Anleitung. Im Ernst, jeder hat eine andere Agenda oder Sensibilit­ät. Aber wenn man sich entscheide­t, etwas nicht politisch zu machen, trifft man dennoch eine politische Entscheidu­ng.

Standard: Die Erwartung, Schwarze müssten mit einer Stimme sprechen, haben Sie oft kritisiert. Zu paternalis­tisch?

Lee: Einfach falsch. Denn es gibt nicht den einen richtigen Weg, die eine richtige Haltung. In der Geschichte der Afroamerik­aner gab es immer wieder die Situation, dass sich zwei Seiten, zwei Ideologien gegenübers­tehen, die dasselbe Ziel verfolgen. Das war im 20. Jahrhunder­t mit W. E. B. DuBois und Booker T. Washington so und wieder zwischen Martin Luther King und Malcolm X.

Standard: Das ist auch in Ihrem Film so – zwischen dem Cop Ron und der Aktivistin Patrice.

Lee: Sie streiten darüber, ob man die Strukturen von innen oder nur von außerhalb verändern kann. Als Patrice im Film herausfind­et, dass Ron ein Undercover-Agent ist, sagt sie: „Ich kann nicht mit dem Feind schlafen.“– Not going for the okeydoke.

SPIKE LEE (61) ist Regisseur, Autor und Produzent. In seinen Arbeiten hat er sich vielfach mit Rassismus, Politik und Medien beschäftig­t. Jetzt im Kino

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Wer ist Donald Trump? Spike Lee nennt ihn nur „Agent Orange“.

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