Der Standard

„Da wurde gelacht, gestritten, diskutiert“

- PORTRÄTS: Markus Rohrhofer, Colette M. Schmidt, Rosa Winkler-Hermaden

2015 wurden dreimal so viele Asylanträg­e gestellt wie im Jahr davor. Rund 90.000 Menschen kamen nach Österreich. Freiwillig­e kümmerten sich von Beginn an um die Geflüchtet­en. Viele sind immer noch in Kontakt und helfen.

Sie hatte ein „chilliges Leben“, sagt die Keramikeri­n Doro Blancke, „einen schönen Schauraum“an der südsteiris­chen Weinstraße. 2014 begann sich das Leben der heute 57-Jährigen massiv zu ändern. Es begann mit einer Familie aus dem Libanon in einer Asylunterk­unft in Leibnitz.

Der Vater und die vier Kinder wurden auf der Flucht von der Mutter getrennt. Blancke brachte ihnen Lebensmitt­el, als sie die weinende kleine Tochter trösten wollte und fragte, was sie sich wünsche. „Sie sagte nur, sie wolle ihre Mama. Das hat mich ins Herz getroffen“, erinnert sich Blancke.

Sie kümmerte sich bald täglich um die Familie, die heute glücklich samt Mutter in der Obersteier­mark lebt, und organisier­te für alle Schulplätz­e. Ab 2015 initiierte Blancke in Ehrenhause­n, später in weiteren Dörfern regelmäßig­e Treffen für Flüchtling­e aus dem Irak, Afghanista­n und Syrien, wo gemeinsam Kuchen und Kaffee gemacht wurden. „Ich habe auch die Dorfbewohn­er eingeladen, lang- sam kamen gleich viele Einheimisc­he wie Flüchtling­e: Die Kinder spielten miteinande­r, es wurde musiziert, es war schön“, so Blancke. Und was hilft gegen Vorurteile und Ängste? „80 Prozent sind Dialog“, sagt die Helferin. Blancke half bisher mit einem Netz aus Helfern, Wirtschaft­sleuten und der FH Joanneum, rund 180 Personen.

Heute lebt sie in einer WG in Graz mit zwei einstigen Flüchtling­en, die arbeiten und „Mitbewohne­r auf Augenhöhe“sind. Ihre Mutter, Cousins und Freunde unterstütz­en sie, auch ihre erwachsene­n Kinder verstehen sie heute. „Es gab auch Krisen mit den Kindern, etwa als ich mein Auto verkaufen musste“, so Blancke, „aber ich habe ihnen Herzensbil­dung mitgegeben“. Sie habe „kein Helfersynd­rom, aber es gibt so viel zu tun“.

Die Lage spitzte sich heuer zu. Sie betreue nun fast nur noch Afghanen, die Panik vor der Abschiebun­g haben. Hilfe für Betreuer, deren Schützling­e suizidgefä­hrdet sind, haben Blancke und Mitstreite­r auf fairness-asyl.at gesammelt.

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