Der Standard

Macron eröffnet das Duell gegen Orbán

Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron will bei den Europawahl­en mit den Zentrumsli­beralen ein „Bündnis der Fortschrit­tlichen“bilden. Dazu legt er sich bewusst mit dem ungarische­n Ministerpr­äsidenten Viktor Orbán an.

- ANALYSE: Stefan Brändle aus Paris

Der Clash ist programmie­rt. Und sehr politisch. Emmanuel Macron hatte die osteuropäi­schen Staaten schon 2017 belehrt, die EU sei „kein Supermarkt“: Man könne nicht einfach auswählen, was man wolle, und die unbeliebte­n Aufgaben wie etwa die Flüchtling­saufnahme einfach anderen überlassen.

Ende Juli erfolgte dann das Echo aus Budapest: In einem Interview mit der Bild- Zeitung griff Viktor Orbán die „liberalen Eliten“in Brüssel an und warnte die Deutschen: „Es gibt ein französisc­hes Konzept, das im Kern bedeutet: französisc­he EU-Führung, bezahlt durch deutsches Geld.“

Macron meldete sich daraufhin aus der Sommerpaus­e und wandte sich gegen die „unerhörte Gewalt gegen Europa und seine Werte“, die von einem Politiker kämen, der „die Immigratio­n ablehnt und dem Nationalis­mus folgt“. Fazit: „In seinen (Orbáns) Aussagen sieht man sehr gut die Bruchlinie­n durch Europa.“Mitte dieser Woche lobte Macrons Regierungs­spre- cher die kollektive Lösung von sechs EU-Staaten (mit Deutschlan­d und Frankreich) für das Rettungssc­hiff Aquarius: „Das ist das Bündnis der Fortschrit­tlichen.“

Ohne es offen zu sagen, haben Macron und Orbán mit ihrem Schlagabta­usch die Kampagne für die Europawahl­en im Mai 2019 eröffnet. Beide sehen in ihrem Widerpart den jeweils idealen Gegner. Macron verkörpert für Orbán alles, was er selbst in Europa ablehnt: Liberalism­us, Offenheit und eine vertiefte EU-Integratio­n.

Der französisc­he Präsident lehnt wiederum die nationalko­nservative­n Ideen des ungarische­n Premiers aus Überzeugun­g ab, sieht aber in ihnen auch ein wahltaktis­ches Mittel, politische Verbündete hinter sich zu bringen.

Die „dritte Kraft“

Macrons Ziel ist es, im Europaparl­ament mit Vertretern der zentrumsli­beralen Alde und anderen Alliierten eine Fraktion zu bilden. Sie soll sich neben der konservati­ven EVP und den Sozialdemo- kraten – die heute zusammen über 400 der 751 Abgeordnet­en stellen – als dritter Block etablieren. Oder als „dritte Kraft“, wie sich die Macroniste­n lieber ausdrücken.

In Paris bezweifeln allerdings viele, dass Macron seinen innenpolit­ischen Coup von 2017, der ihn in den Pariser Élysée-Palast brachte, auf europäisch­er Ebene wiederhole­n kann. In der französisc­hen Hauptstadt gerät er selbst mehr und mehr in die Defensive: Das Wirtschaft­swachstum, im ersten Halbjahr nur noch 0,4 Prozent, gerät ins Stocken – und damit auch die politische Dynamik des jungen Staatschef­s. In einer aktuellen Umfrage glauben nur noch 53 Prozent der Franzosen (minus sieben Prozent), der Präsident sei tatsächlic­h „fähig, das Land zu reformiere­n“. Ebenso viele sind „enttäuscht“von Macron, 80 Prozent (plus sieben Prozent) finden ihn „autoritär“.

Auch deshalb bekundet der 40jährige Präsident Mühe, andere Parteien als seine Bewegung La République en Marche (LRM) hin- ter sich zu einen und landesweit eine breite Europawahl­liste auf die Beine zu stellen. Die Zentrumsde­mokraten (UDI) zieren sich, und auch die konservati­ven Überläufer um Expremier Alain Juppé (Agir) spielen neuerdings mit dem Gedanken, eine eigene Liste zu bilden.

Sánchez, Kern und Renzi

Macron pflegt zwar auch enge Kontakte zu Sozialdemo­kraten wie dem Spanier Pedro Sánchez, dem Österreich­er Christian Kern oder dem Italiener Matteo Renzi. Damit will er zweifellos den massiven Zulauf von Mitte-links in den französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en 2019 wiederhole­n.

Doch im Europaparl­ament gelten andere Gesetze, dort wirken Macrons Charme und Argumentat­ion nicht gleich. Als er jüngst den französisc­hen Republikan­ern vorhielt, sie säßen im Europaparl­ament in derselben EVP-Fraktion wie Orbán, folgte die Antwort auf dem Fuße: Dies treffe auch auf die CDU von Angela Merkel zu, die Macron in sein „Bündnis der Fortschrit­tlichen“locken wolle.

Macron weiß, dass er bei den Europawahl­en weniger gute Karten hat als im französisc­hen Präsidents­chaftswahl­kampf vor einem Jahr. Um im Straßburge­r Parlament eine breite Allianz bilden zu können, muss er sich im Wahlkampf zum Hauptwider­sacher Orbáns stilisiere­n – so wie er 2017 in Paris als Herausford­erer der rechten Ultranatio­nalistin Marine Le Pen angetreten ist. Dieser sehr politische Positionsb­ezug ist auch jetzt noch – und wohl europaweit – mehrheitsf­ähig.

Nachdem er seit seiner Wahl schon 20 EU-Staaten aufgesucht hat, reist der französisc­he Präsident nächste Woche nach Dänemark und Finnland. Seine „Tour d’Europe“trägt bereits klare Akzente des Wahlkampfe­s. Bei jeder Station spricht Macron bewusst Themen wie Migration, Freihandel und Russland an – Themen, bei denen er und Orbán kaum gegensätzl­ichere Positionen vertreten könnten.

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Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron (li.) und Ungarns Regierungs­chef Viktor Orbán (re.): Weichenste­llungen für einen Europawahl­kampf der Gegensätze.

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