Der Standard

Affäre um „Pegizei“belastet CDU-Ministerpr­äsident von Sachsen

Pöbler auf Pegida-Demonstrat­ion ist beim Landeskrim­inalamt beschäftig­t – Polizei hält ZDF-Reporter 45 Minuten von der Arbeit ab

- Birgit Baumann aus Berlin

Der Mann mit dem „Deutschlan­dHut“und der Sonnenbril­le ist ziemlich wütend. „Lügenpress­e!“, schreit er Richtung TV-Kamera. Und zum ZDF-Reporter sagt er: „Sie haben mich ins Gesicht gefilmt, das dürfen Sie nicht. Sie haben eine Straftat begangen.“

Die Anschuldig­ungen sind falsch, das Team vom ZDF hat vor einer Woche beim Besuch der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Dresden bloß das getan, was in Deutschlan­d erlaubt ist: eine öffentlich­e Demonstrat­ion zu filmen, nämlich jene der islam- und ausländerf­eindlichen Bewegung Pegida, die gegen Merkels Politik protestier­t. Doch für ZDFMann Arndt Ginzel hatte die kur- ze Auseinande­rsetzung Folgen: Die Polizei nahm seine Personalie­n auf, und das 45 Minuten lang. Ginzel stellte die Szene ins Netz und klagte, die „Exekutive von Pegida“habe seine journalist­ische Arbeit behindert. Das Verhältnis von Pegida zur „Lügenpress­e“ist bekanntlic­h schlecht. Der Ruf, in dem die sächsische Polizei steht („auf dem rechten Auge blind“), auch nicht der beste.

Nun stellte sich heraus: Der Demonstran­t war nicht irgendein Bürger, sondern ist beim sächsische­n Landeskrim­inalamt (LKA) beschäftig­t. Jetzt hat Sachsens Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) ein Problem. Der nämlich hatte, rasch nachdem der Disput zwischen Polizei und dem ZDFTeam bekannt geworden war, ge- twittert: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“

Die Empörung ist groß, Kretschmer und Sachsens Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) werden aufgeforde­rt, die Affäre rasch aufzukläre­n. „Es handelt sich um eine klare Einschränk­ung der freien Berichters­tattung“, kritisiert ZDFChefred­akteur Peter Frey. Im Netz wird die Causa unter dem Hashtag #Pegizei diskutiert.

Kritik aus Berlin

Auch aus Berlin gibt es Kritik am Vorgehen in Sachsen, wo die CDU mit der SPD regiert. „Die Vorgänge sind wirklich besorgnise­rregend und müssen dringend und umfassend durch die sächsische­n Behörden aufgeklärt wer- den“, so Justizmini­sterin Katarina Barley (SPD). Und Merkel: „Wer auf eine Demonstrat­ion geht, muss damit rechnen, dass er auch durch Medien dabei aufgenomme­n und beobachtet wird. Also muss es eine freie Arbeit der Journalist­en geben.“Grünen-Abgeordnet­er Cem Özdemir sagt: „Wer für den Schutz unseres Grundgeset­zes zuständig ist, hat bei Organisati­onen und Parteien, die gegen unsere Verfassung kämpfen, nichts verloren, auch nicht in der Freizeit.“Er erwarte „endlich Klartext“von Kretschmer.

Innenminis­ter Wöller nimmt den LKA-Mann in Schutz. Dieser sei bei dem Vorfall nicht im Dienst gewesen, sondern sei Privatpers­on gewesen. Derzeit sei er auf Urlaub, man werde ihn danach be- fragen. „Selbstvers­tändlich gilt für jeden Bürger in unserem Land das Recht auf freie Meinungsäu­ßerung“, so Wöller. Allerdings erwarte er „korrektes Auftreten“.

Den Vorwurf der „braunen“Polizei in Sachsen weist die Landesvors­itzende der Deutschen Polizeigew­erkschaft, Cathleen Martin, zurück: „Meine Botschaft ist klar: Sächsische Polizisten sind keine Rechtsradi­kalen.“

Kretschmer ist inzwischen ein wenig zurückgeru­dert und sagt: „Mir ist sehr daran gelegen, die Situation zu versachlic­hen und mit Ruhe zu bewerten.“Sachsen wählt in einem Jahr einen neuen Landtag, Kretschmer ist unter Druck, weil die AfD in Sachsen bei der Bundestags­wahl 2017 die stärkste Kraft vor der CDU wurde.

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