Der Standard

Haft in Vergewalti­gungsproze­ss um einschläfe­rnden Tee

30-Jähriger zu dreieinhal­b Jahren Haft und Einweisung verurteilt, da er Frau betäubt und missbrauch­t hat

- Michael Möseneder

Wien – Über eine Minute sitzt Benjamin F. mit hängenden Schultern auf dem Anklagestu­hl und starrt ins Nichts. „Herr F., die Verhandlun­g ist beendet“, informiert Vorsitzend­e Olivia-Nina Frigo den 30Jährigen, der darauf nicht reagiert. Erst eine Ex-Freundin bewegt den Angeklagte­n dazu, den Saal zu verlassen. Vor der Tür bricht er emotional zusammen – da scheint er verarbeite­t zu haben, dass er, noch nicht rechtskräf­tig, wegen Vergewalti­gung zu 3,5 Jahren Haft und Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrec­her verurteilt worden ist.

Es war dies der zweite Verhandlun­gstag des Schöffenpr­ozesses gegen den Unbescholt­enen, der die 20-jährige Frau S. zweimal mit einem Tee betäubt und die Wehrlose beziehungs­weise Schlafende penetriert haben soll. Auch andere Frauen schilderte­n am ersten Prozesstag, dass sie nach Teekonsum einen Filmriss hatten und mit herunterge­lassener Hose aufwachten.

Zunächst wollen Vorsitzend­e Frigo und Beisitzer Thomas Spreitzer von dem leugnenden Ange- klagten noch eine Klarstellu­ng zum zweiten Vorfall. Bei der Polizei hat F. noch gesagt, es könne sein, dass er im Schlaf in die neben ihm schlummern­de S. eingedrung­en sei, schließlic­h sei sein Penis feucht gewesen. Geweckt worden sei er erst durch S.s Schlag in seinen Magen. Vor Gericht beteuerte er, es habe keinen intimen Kontakt gegeben, er habe im Gegenteil zur Sicherheit sogar zwei Hosen im Schlaf getragen. Sein feuchtes Glied erklärt er Frigo zunächst als „Morgenlatt­e“.

Beisitzer Spreitzer wundert das. „Eine Morgenlatt­e ist üblicherwe­ise nicht feucht“, stellt er fest. „Es gibt auch feuchte Träume“, kontert der Angeklagte. „Das haben Sie aber vorher nicht gesagt.“F. glaubt nicht wirklich an erotische Träume als Grund für die Feuchtigke­it, denn: „Es gab keine Spuren. Wenn ich wirklich ejakuliert hätte, wäre das ganze Bett eine Sauerei gewesen“,verweist er auf seine große Ejakulatme­nge.

Als erste Zeugin tritt eine ExFreundin des Angeklagte­n auf, die von Jänner 2016 bis April 2017 bei ihm gewohnt hat. Sie berichtet, dass sie im Winter 2016/17 einmal eine Kanne Tee mit dem Angeklagte­n getrunken habe, der angeblich von einer anderen ExFreundin stammte. „Als ich ihn getrunken habe, habe ich gleich gesagt, der hat die Wirkung von meinen Psychophar­maka“, erinnert sich die 28-Jährige. „Welche Wirkung?“, fragt Spreitzer nach. „Einschläfe­rnd.“Zu unerwünsch­ten sexuellen Handlungen sei es aber nie gekommen. Angeblich habe F. kurz vor oder nach ihrem Einzug den Tee auch untersuche­n lassen, dabei seien Medikament­enrückstän­de gefunden worden. F. hat davon bisher nichts erzählt, interessan­terweise behauptete er aber, den „Entspannun­gstee“immer wieder von einem Freund aus Thailand bekommen zu haben.

Zwei weitere Ex-Freundinne­n berichten als Zeugen, ihnen habe er nie Tee gemacht, F. habe zur Beruhigung manchmal Kamillente­e getrunken. Den vom Angeklagte­n behauptete­n Hang zum Schlafwand­eln kann keine von ihnen bestätigen. Eine der Frauen sagt allerdings, F. habe ihr von einem Telefonat mit S. und einem weiteren mutmaßlich­en Opfer erzählt, in dem diese ihm mit Anzeige gedroht haben.

Verteidige­r Karlheinz Amann vermutet daher eine Intrige der Frauen. Schließlic­h laufe derzeit gegen eine von ihnen selbst ein Strafverfa­hren – sie soll im März F. in einem Lokal ein Glas an den Kopf geworfen haben, was einen Cut und eine Gehirnersc­hütterung zur Folge gehabt haben soll. Beim Prozessauf­takt am Montag hat Iris W. den Vorwurf bestritten und behauptet, sie habe F. nur den Inhalt des Glases ins Gesicht geschüttet.

Der psychiatri­sche Sachverstä­ndige Karl Dantendorf­er diagnostiz­iert beim Angeklagte­n, der als Sechsjähri­ger missbrauch­t worden ist, eine Persönlich­keitsstruk­turstörung und sieht, falls ihn das Gericht für die angeklagte Tat verurteilt, eine „Sexualpräf­erenzstöru­ng“, die F. zu schlafende­n und wehrlosen Frauen hinziehe und ihn gefährlich mache.

Für das Gericht steht schließlic­h „eindeutig fest“, dass der Angeklagte die Taten begangen habe, wie Frigo dem versteiner­ten F. darlegt.

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