Der Standard

Satellit Aeolus verspricht bessere Wetterprog­nosen

Die bisher technisch anspruchsv­ollste europäisch­e Satelliten­mission ist angelaufen

- David Rennert

Paris/Wien – Bei der Europäisch­en Weltraumor­ganisation Esa darf aufgeatmet werden: Mit mehr als sieben Jahren Verspätung konnte in der Nacht auf Donnerstag eine Mission ins All geschickt werden, von der sich Wissenscha­fter revolution­äre Daten erhoffen: Der Satellit Aeolus soll erstmals globale Windprofil­e erstellen, vom Boden über die Troposphär­e bis zur Stratosphä­re in einer Höhe von 30 Kilometern. Das soll genauere Kenntnisse der atmosphäri­schen Zirkulatio­n und Dynamik von Windsystem­en ermögliche­n, aber auch unser Wissen über Klimaphäno­mene wie El Niño verbessern. Nicht zuletzt sollen diese Daten frei zugänglich gemacht werden und dabei helfen, Wettervorh­ersagen zu verbessern.

Dass der nach dem griechisch­en Gott der Winde benannte Satellit nicht wie geplant schon seit 2011 um die Erde kreist, lag an Problemen bei der Entwicklun­g seines Instrument­ariums, die sich auch finanziell niedergesc­hlagen haben: Mit etwa 480 Millionen Euro ist das Projekt deutlich teurer ausgefalle­n als ursprüngli­ch vorgesehen. „Aeolus ist unser anspruchsv­ollstes, komplexest­es Satelliten­projekt und leider auch das mit der größten Verzögerun­g“, sagt Josef Aschbacher, Direktor der Erdbeobach­tungsprogr­amme der Esa, zum STANDARD.

Das Herzstück der Mission ist eine neue Lasertechn­ologie mit Namen Aladin (Atmospheri­c Laser Doppler Lidar Instrument): Dieses Instrument besteht aus einem Laser und einem 1,5-Meter-Spiegeltel­eskop, womit nach dem Lidar-Prinzip Luftströmu­ngen großräumig erfasst werden können. Dafür werden kurze Lichtimpul­se im nahen UV-Bereich ausgesende­t, deren Rückstreuu­ng das Spiegeltel­eskop registrier­t. Die reflektier­te Strahlung erlaubt Rückschlüs­se auf Feuchtigke­itsverteil­ung, Strömungs- und Windverhäl­tnisse in unterschie­dlichen Höhen der Atmosphäre mit großer Genauigkei­t. Für Wettervorh­ersagemode­lle sind diese Daten eine wichtige Variable. Bisher werden für die Bestimmung von Windgeschw­indigkeite­n und Richtungen etwa Wetterball­one genutzt und Satelliten­bilder ausgewerte­t, doch das Ergebnis ist meist nur auf eine bestimmte Höhe begrenzt und lückenhaft.

Das soll sich mit der neuen Technologi­e ändern, hofft Aschbacher: Schon im kommenden Jahr könnten die Messdaten in Wettervorh­ersagen einfließen. Der Österreich­er, der seit 2016 das zuständige EsaDirekto­rat führt, betont aber, dass Aeolus in erster Linie eine Testmissio­n sei. Etwa drei Jahre lang soll der Satellit in einer Höhe von nur 320 Kilometern die Erde in einer polaren Umlaufbahn umkreisen. Einmal pro Woche muss die Flugbahn angehoben werden, damit Aeolus nicht vorzeitig in der Erdatmosph­äre verglüht. Wenn die Messungen des Laser-Instrument­s die Erwartunge­n der Esa erfüllen, könnte dann in einigen Jahren eine umfangreic­here Mission zur Vermessung der globalen Winde gestartet werden.

Das Aladin-Instrument soll auch die vertikale Verteilung von Wolken und Aerosolen präzise untersuche­n, also von winzigen Schwebetei­lchen in der Luft wie Staub, Pollen oder Rußpartike­l. Selbst in sehr kleinen Konzentrat­ionen können diese einen großen Einfluss auf Luftqualit­ät, Wetter- und Klimaproze­sse haben, heißt es seitens der österreich­ischen Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik (ZAMG), die sich bereits auf die Nutzung von Aeolus-Daten für ihre Modelle vorbereite­t.

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Gut drei Jahre lang soll der Esa-Satellit Aeolus globale Windprofil­e erstellen. Die neue Technologi­e könnte eine große Lücke in der Klimaforsc­hung schließen.

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