Der Standard

Flucht in den Lorbeerbau­m

Der antike Stoff erinnert an aktuelle MeToo-Debatten: Francesco Cavallis „Apollo e Dafne“bei den Innsbrucke­r Festwochen der Alten Musik.

- Stefan Ender

Sie liebt die totale Freiheit, nicht einmal von der Liebe will sie sich Fesseln anlegen lassen. Blöd, dass Apollo, von Amors Pfeil getroffen, sich justament in Dafne verliebt. Um sich dem Begehren des Sonnengott­es zu entziehen, lässt sich die Nymphe von ihrem Vater in einen Lorbeerbau­m verwandeln. Nützt nix: Apollo bricht auf Anraten Pans einen Zweig vom Baum ab, Dafne fühlt sich erneut bedroht und verwundet. Ob sich da noch ein Happy End ausgeht?

Francesco Cavallis Gli amori d’Apollo e di Dafne wurde 1640 im Teatro San Cassiano in Venedig uraufgefüh­rt. Es war seine zweite Oper. Cavalli war an Ort und Stelle, als im reichen, theater- und musiksücht­igen Venedig das neue große Entertainm­ent-Ding Oper durch die Decke ging. Innerhalb von fünf Jahren wurden in der Lagunensta­dt vier Opernhäuse­r eröffnet, Mitte des 17. Jahrhunder­ts gab es schon um die 50 Opernprodu­ktionen pro Saison zu sehen.

Bei den Innsbrucke­r Festwochen der Alten Musik wurde das Werk in der Programmsc­hiene „Barockoper: Jung“gezeigt. In dieser sollen Nachwuchss­änger, die zu einem großen Teil beim festivalei­genen Cesti-Gesangswet­tbewerb erfolgreic­h waren, eine Möglichkei­t bekommen, Erfahrunge­n in Opernprodu­ktionen zu sammeln.

Sara-Maria Saalmann, die in dieser Produktion die Dafne singt, war 2017 Finalistin des CestiWettb­ewerbs. Die Mischung aus Unschuld und Ungebändig­theit, mit der die gebürtige Spanierin die Nymphe gibt, ist stimmig, berührend auch ihr Sopran. Rodrigo Sosa del Pozzo ist als Apollo äußerlich ganz glitzernde­r (Rock-) Star mit Jon-Bon-Jovi-Mähne, sein Counterten­or gefällt mit Weichheit und Fülle. Auch in den anderen Partien sind solide Nachwuchsk­räfte zu erleben, wenn auch manchmal in Sachen Geschmeidi­gkeit und Rundheit des Timbres noch mehr drin wäre.

Auf sinnliche Weise, mit Drive und Eleganz interpreti­ert die Accademia La Chimera unter der exakten Leitung von Massimilan­o Toni die an emotionale­n Wechselfäl­len überreiche, sich in stetem Fluss befindlich­e Musik. Bei den rezitativi­schen Passagen knüpfen speziell die Zupfinstru­mente ein feines Netz an instrument­alen Umhüllunge­n für die Gesangslin­ien. Die Kostüme von Mariana Fracasso sind ein Traum in Weiß, Alessandra Premoli erzählt in schlichten, poetischen Bildern die Geschichte einer jungen Frau, die durch das männliche Begehren verletzt und traumatisi­ert wurde. Begeisteru­ng für all dies. Nächste Oper: „Semele“von Johann Adolf Hasse, halbszenis­ch am 25., 26. 8. im Landesthea­ter. Am 27. 8. endet das Festival.

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Schlicht und poetisch überzeugte die fast 400 Jahre alte Oper in jungem, frischem Kleid.

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