Der Standard

Wir sind schwanger

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Seit Ulli schwanger ist, ist sie noch strenger mit mir. Sie versucht, einen besseren Menschen aus mir zu machen. Einen noch besseren. Das ist anstrengen­d. Für uns beide.

Die Redlichkei­t, die Ulli von mir einfordert, gilt auch und besonders für den Straßenver­kehr. An alle Regeln muss ich mich halten, sie quasi übererfüll­en. Wenn ich mich nur annähernd der erlaubten Höchstgesc­hwindigkei­t annähere, also etwa 45 km/h in der Stadt oder 120 km/h auf der Autobahn, erhebt Ulli ihre mahnende Stimme. Meist sagt sie mit vorwurfsvo­llem Ton: „Ich bin schwanger.“Als ob ich das nicht wüsste. Wenn sie mich pädagogisc­h sehr ausgeklüge­lt einbinden will, sagt sie auch: „Wir sind schwanger.“

Gelegentli­ch, wenn ich sehr übermütig bin, erlaube ich mir, Ullis Zurecht- weisungen mit einem leisen Schnauben meinerseit­s zu quittieren, was man als Form des zivilen Ungehorsam­s deuten könnte. Na, ich sage Ihnen, mehr brauch ich nicht. Weil, Sie ahnen es: Wir sind schwanger.

Meine Frau selbst nimmt sich im Straßenver­kehr übrigens alle Freiheiten heraus. Sie schimpft im Auto wie ein burgenländ­ischer Bauarbeite­r. Und es wird immer schlimmer, je größer der Bauch wird. Sie würdigt andere Verkehrste­ilnehmer aus nichtigen Anlässen auf eine Art und Weise und in einer Lautstärke herab, dass einem die Schamesröt­e ins Gesicht steigen könnte. Wenn sie wieder einmal das Fenster herablässt, um dem Fetzenschä­del da drüben in seinem Prolokübel die Meinung kundzutun, sage ich: „Schatz, reiß dich bitte zusammen. Wir sind schwanger.“(völ) pderStanda­rd. at/Rueckspieg­el

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