Flucht aus Italien
Investoren befürchten eine Abstufung der Bonität Italiens und trennen sich massig von Anleihen des Landes. Die Regierung ist bemüht, das Defizit unter drei Prozent zu halten.
Mailand – Ausländische Investoren haben in den Monaten Mai und Juni 70 Milliarden Euro an italienischen Staatsanleihen verkauft. Grund dafür sind Befürchtungen, dass im kommenden Herbst der Spread, die Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Anleihen, zunehmen könnte. Ende August wird die Ratingagentur Fitch, im September Moody’s das Rating für die Kreditwürdigkeit Italiens abgeben. Eine Abstufung, nahe dem Ramschniveau ist wahrscheinlich.
Im Herbst muss die Regierung auch ihre Budgetvorlage präsentieren. Nach Angaben aus Regierungskreisen ist eine Neuverschuldung von drei Prozent oder mehr des Haushaltsdefizits, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, nicht auszuschließen. Auch wenn sich Wirtschaftsminister Giovanni Tria bemüht, das Defizit unter dieser Marke zu halten, dürften die von den Regierungsparteien angekündigten Wahlversprechen, die Einführung einer Flat Tax und des Mindesteinkommens, den Staats teuer zu stehen kommen.
Ökonom Carlo Cottarelli schätzt die dafür nötigen Ausgaben auf bis zu 100 Mrd. Euro. Zusätzliche Kosten werden auch durch die angekündigte „Reform der Rentenreform“entstehen. Zudem würde die zur Diskussion stehende Verstaatlichung des Autobahnbetreibers Autostrade den Staat mindestens 22 Mrd. Euro kosten.
Die Befürchtungen der ausländischen Investoren erscheinen berechtigt, da das EZB-Kaufprogramm für Staatsanleihen bald ausläuft. Rom hat einen jährlichen Refinanzierungsbedarf von mindestens 40 Mrd. Euro. Rund ein Fünftel der Staatsverschuldung liegt bei ausländischen Investoren, knappe 40 Prozent bei italienischen Banken und Versicherungen.
Wirtschaftsminister Tria wird in den kommenden Tagen nach China reisen, um chinesische Investoren aufzufordern in Italien zu investieren. Ein schwieriges Vorhaben, denn das Vertrauen in den Standort ist gesunken. Die Regierung spricht davon, sämtliche Konzessionen an Private infrage zu stellen. Und der längst besiegelte Verkauf des Stahlunternehmens Ilva an Arcelor Mittal soll womöglich rückgängig gemacht werden. (tkb)