„Der Fehler ist ein Treibmittel für Kunst“
Der Chefdirigent des Bruckner Orchesters Linz, Markus Poschner, über die Bedeutung des Fehlers für die Musik, den Rausch bei Berlioz und die speziell oberösterreichische Note.
STANDARD: Sie sind seit einem Jahr Chefdirigent des Linzer Bruckner Orchesters. Wie war der Einstand? Poschner: Ich würde sagen, wir haben musikalisch jeden Stein umgedreht. Beim Namen Bruckner Orchester ist es klar, dass wir uns mit unserem Hausgott intensiv auseinandersetzen müssen und wollen. Eine Frage war: Alle Welt spielt Bruckner – was ist dabei das Oberösterreichische, was unsere Perspektive auf das Repertoire, was bedeutet unser Dialekt?
STANDARD: Zu welchen Schlüssen kamen Sie? Poschner: Etwa haben wir in Oberösterreich eine ganz eigene Volksmusik- und Chortradition, eine eigene Art zu phrasieren, zu hören und zu klingen. Das lässt Bruck- ner, wenn man dies lebendig macht, ganz anders erleben. Weniger Weihrauch, mehr Verve. So wollen wir unsere Geschichte erzählen. Bruckner bleibt unser Zentralgestirn, um das wir kreisen, das färbt ab auf alles andere.
STANDARD: Wenn man Bruckner mit dem Sound der Jetztzeit konfrontiert, was entdeckt man? Poschner: Man ist baff, wie modern seine Partituren sind. Sie fußen auf einer Tradition, die Schubert, Mozart und Wiener Klassik heißt, aber es gibt bei ihm Ecken und Kanten, die empfinde ich als unheimlich radikal und avantgardistisch. Oft wird Bruckner im Überwältigungsmodus gespielt, mit Pathos und Weihrauch, das halte ich für einen großen Irrweg! STANDARD: Die „Große Konzertnacht“in der Postcity (9. 9.) dreht sich heuer um Berlioz. Warum?
Poschner: Der Überbegriff der Ars Electronica heuer ist „Error“. Der Fehler ist ein Treibmittel für Kunst generell, aber für Berlioz im Speziellen, weil er immer im Widerstand zum Mainstream war. Unverstanden, aber zukunftsweisend. Klanglich erschließt er ein ganz neues Universum. Dazu kommen seine Experimente mit Opium – diese Musik ist aus einem Rausch entstanden. Das passt gut zum Thema des Antikonformen.
STANDARD: Technologie soll Fehler in der Regel eliminieren. Können Algorithmen also komponieren? Poschner: Stücke, die vor 200 Jahren stark nach algorithmischen Regeln entstanden sind, führt heute keiner mehr auf. Geblieben sind Dinge, die äußerlich zwar in Auseinandersetzung mit Traditionen geschaffen wurden, aber innerlich alles gegen den Strich bürsten. Daher berühren sie noch. Ich kann Maschinen beibringen, nach Regeln zu komponieren, aber das würde uns nichts erzählen. Wahre Kunst ist menschlich.
MARKUS POSCHNER (47) leitet seit 2017 das Bruckner Orchester Linz.