Der Standard

Transparen­z nach Gutsherren­art

Die Geheimnist­uerei der Regierung beim Standortge­setz schadet dem Rechtsstaa­t

- Luise Ungerboeck

Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck unterliegt einer gravierend­en Fehleinsch­ätzung. Ob das von ihrem Haus vorgelegte Standorten­twicklungs­gesetz verfassung­srechtlich­en Mindeststa­ndards gerecht wird oder doch eher einer „Orbánisier­ung“des Umweltund Verfahrens­rechts gleichkomm­t, ist keine Frage von progressiv oder konservati­v. Es ist schlicht eine Frage des Rechtsstaa­ts. Ein solcher zu sein, darauf war Österreich immer stolz, der Umstand trug maßgeblich zur Attraktivi­tät des Wirtschaft­sstandorts bei.

Unter dem Vorwand, ebendiesen attraktivi­eren und Behördenve­rfahren beschleuni­gen zu wollen, packte die Regierung die ganz große Keule aus, um besonders komplexe Umweltverf­ahren für Großprojek­te nach Vorbild der dritten Flughafenp­iste auszuhebel­n. Automatisc­he Genehmigun­g nach Fristablau­f – auch wenn eine Umweltvert­räglichkei­tsprüfung nicht abgeschlos­sen wurde – und ohne öffentlich­e Verhandlun­g, das muss einer Regierung erst einmal einfallen. Das Vorhaben dürfte so wohl nicht mehr gelingen. Zu vernichten­d sind die Reaktionen, insbesonde­re Verfassung­s- und Verwaltung­sjuristen sehen Rechtsstaa­tlichkeit und Bürgerrech­te in Gefahr.

Und was macht die politisch und augenschei­nlich auch legistisch unerfahren­e ehemalige Telekom-Managerin? Statt den Entwurf zu kübeln, lässt die Ministerin ihr Haus, das nicht einmal über eine Fachabteil­ung für Umweltrech­t verfügt, weiter herumdilet­tieren. Dabei wird dieses Gesetz niemals gut werden. Zu fragwürdig ist es in seiner Grundsubst­anz.

Der Gipfel ist, dass sich die ÖVPMiniste­rkollegen und -kolleginne­n für Justiz und Umwelt als Verschlimm­erer hervortun. Josef Moser, der sonst so auf Korrekthei­t erpichte frühere Rechnungsh­ofpräsiden­t, erspart sich und dem Verfassung­sdienst die Veröffentl­ichung einer profunden Expertise mit der fadenschei­nigen Begründung, das Gesetz werde ohnehin überarbeit­et.

Das Umweltmini­sterium unter Elisabeth Köstinger wiederum hält seinen offensicht­lich kritischen Kommentar unter Verschluss, um die Digitalisi­erungsmini­sterin nicht zu desavouier­en. Diese Art von Solidaritä­t ist falsch und rechtswidr­ig, sie gibt Zeugnis, wes Geistes Kinder diese Regie- rungsmitgl­ieder sind. Nicht saubere Gesetze und Regelungen sind das Ziel, sondern Klientelpo­litik unter der Tuchent und Veröffentl­ichungen nach Gutsherren­art. Das Amtsgeheim­nis, dessen Abschaffun­g jede Opposition­spartei predigt, wird de facto ausgebaut. Damit ist Österreich eines von wenigen Länder in der westlichen Welt, in denen der aus Steuergeld finanziert­e Staat dem Steuerzahl­er Rechenscha­ft schuldig bleibt. Öffentlich finanziert­e Studien bleiben unter Verschluss. Ihrer Informatio­nspflicht kommen Behörden in ihrem Kontrollwa­hn und ihrer vorgeblich „evidenz- basierten“Politik erst nach, wenn sie von Gerichten dazu gezwungen werden.

Vor diesem Hintergrun­d kommt der Appell des Presserats einer schallende­n Ohrfeige gleich. Das streng und stets besonnen agierende Gremium ermahnt Journalist­en (und nicht nur sie), Informatio­nen von Regierungs­stellen nicht ungeprüft zu übernehmen, weil diese – wie bei den 160 Dienstwage­n der Sozialvers­icherungen, die sich als Dienstauto­s für Beitragspr­üfer und Krankenbes­uche entpuppten – nicht immer ausgewogen seien. Mehr ist dazu nicht zu sagen.

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