Der Standard

„Man fühlt sich wie im Wahn“

Weil sie das in der linken Szene beliebte Wiener Lokal Schikanede­r für einen Abend an die Junge ÖVP vermietete­n, wurden die Betreiber online bedroht.

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B egonnen hat alles mit einem FacebookPo­sting einer Ex-Mitarbeite­rin, die erfahren hatte, dass die Junge ÖVP unser Lokal für einen Abend gemietet hat. Damit hätten wir unsere Werte, die linke Szene verraten, meinte sie, wir würden uns „mit den Nazis ins Bett legen“. Wir waren gerade auf Kurzurlaub in der Steiermark, haben das zunächst gar nicht mitbekomme­n. Wir sind erst aufmerksam geworden, als schnell hintereina­nder auf der Seite des Schikanede­r plötzlich mehrere Dutzend schlechte Bewertunge­n abgegeben wurden. Ein Bekannter hat uns dann einen Link zum Ursprungst­hread geschickt. Der war da schon mehrere Hundert Kommentare lang, die Beschimpfu­ngen wurden immer wüster.

Die Leute haben sich in Rage geschriebe­n: Wir hätten ihnen mit der Vermietung des Lokals ihren Freiraum geraubt, uns mit der rechten Regierung verbündet. Alles, was wir jemals gemacht haben, vom Menschenre­chtsfilmfe­stival bis zu Diskussion­sabenden, wurde in den Dreck gezogen.

Zu diesem Zeitpunkt wollten wir die Sache immer noch ignorieren, wir dachten, wir sitzen das aus. Bis sich uns unbekannte Menschen plötzlich nicht mehr nur über die Sache alteriert haben, sondern es persönlich wurde. Es wurde vermeintli­ches Wissen aus unserem Privatlebe­n gepostet, auf einmal unsere Töchter mit reingezoge­n. Da ist uns der Kragen geplatzt, Lisa hat gepostet, dass man unsere Kinder aus der Diskussion rauslassen soll.

Ab dem Moment ging es erst richtig los, es war erschrecke­nd, wie sich der Hass seine Bahn bricht, wenn die Onlinemeut­e ihr Opfer gefunden hat. Johannes wurde als „misogyner Schwanz“bezeichnet, man hat uns wahlweise als „Nazis“oder „geldgierig­e Juden“beschimpft. Manche haben angekündig­t, die Scheiben unseres Lokals einzuschme­ißen. Wir bekamen Nachrichte­n, dass man uns fertigmach­en wird, weil wir mit den Rechten kooperiere­n. Extrem enttäusche­nd war, dass die massivsten Attacken genau von jenen Menschen kamen, die sonst für einen offenen und liberalen Umgang plädieren.

Völlig hysterisch

Niemand kann sich vorstellen, wie massiv so ein Shitstorm wirkt, ehe er nicht selbst drinsteht. Der Druck ist irre, vor allem wenn die Eskalation über Tage geht. Wir sind unterschie­dlich damit umgegangen: Johannes abgeklärte­r, für ihn war es eher ein Sturm der Empörung mit Shit. Ich habe kaum geschlafen, ständig die boshaften Postings gelesen. Man fühlt sich wie in einem Wahn, das zieht sich in dieser Zeit sogar ins reale Leben. Man hat das Gefühl, auf der Straße angestarrt zu werden, Angst, plötzlich attackiert zu werden. Für den Abend des Events bekamen wir Polizeisch­utz. Dabei fanden die angekündig­ten Protestakt­ionen nicht einmal statt, die Drohgesten waren rein virtuell. Rückblicke­nd können wir lachen, weil alles so absurd hysterisch war. Trotzdem bleibt etwas: Man wird alerter.

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