Der Standard

Regierung fixiert Ende der Lehre für Asylwerber

Eigener Aufenthalt­stitel für Lehrlinge soll Erlass von 2012 ersetzen

- András Szigetvari

Wien – In den seit Monaten andauernde­n Streit rund um die mögliche Abschiebun­g von Asylwerber­n, die in Österreich eine Lehre absolviere­n, ist am Sonntag Bewegung gekommen. Zunächst hatte Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache angekündig­t, dass die freiheitli­che Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein prüfen werde, den Erlass aus dem Jahr 2012, der Asylwerber­n Zugang zur Lehre gibt, zu streichen. Kurz darauf gab Regierungs­sprecher Peter LaunskyTie­ffenthal das Ende der Lehre für Asylwerber bekannt. „Das Asylrecht soll künftig nicht mehr mit einer Lehre umgangen werden können.“Zugleich will die Regierung laut Launsky-Tieffentha­l die Lehre für Drittstaat­sangehörig­e öffnen. Damit soll es einen eigenen Aufenthalt­stitel für Lehrlinge geben.

Ob davon auch die rund 1000 Asylwerber profitiere­n werden, die aktuell eine Lehre in Österreich absolviere­n, ist unklar. Die Regierung sagte weder, wann der Erlass gestrichen wird, noch, wann eine Neuregelun­g kommt.

Kritik daran kam von den Neos. Der Abgeordnet­e Sepp Schellhorn warnte vor einer Salamitakt­ik: Die Regierung schaffe die bestehende Regelung ab, was leicht geht, werde sich dann aber lange mit einem neuen Gesetz Zeit lassen. Ziel Straches sei es, „Frust und Resignatio­n“unter jungen Asylwerber­n zu verbreiten, so Schellhorn. Im Büro von Wirtschaft­skammerChe­f Harald Mahrer hieß, man brauche eine „humane und praktikabl­e Lösung“. (red)

Arbeitsmar­ktexperten hatten diese Debatte bereits erwartet: Wenn der Druck auf die Bundesregi­erung weiter wächst, Asylwerber­n, die eine Lehre absolviere­n, ein Bleiberech­t zu geben, wird irgendwann die Forderung laut, Asylwerber­n keinen Zugang mehr zur Lehre zu gewähren. Am Sonntag war es so weit.

Vizekanzle­r und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat erklärt, dass Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein prüfen werde, ob man jenen „falschen“Erlass, der die Lehre für Asylwerber geöffnet hat, zurücknehm­en wird. „Denn das dürfte ja nicht sein: Wenn einer kein Bleiberech­t hat, sollte er keine Lehre beginnen dürfen“, sagte Strache der Tageszeitu­ng Österreich.

Wenig später dann erklärte der Regierungs­sprecher Peter Launsky-Tieffentha­l, dass der alte Erlass in der Tat fallen wird. Man wolle eine Neuregelun­g prüfen.

Unklar ist allerdings, ob die Neuregelun­g mehr Härte für betroffene Asylwerber und Unternehme­r bedeutet oder eine liberalere Lösung bringen wird. Launs- ky-Tieffentha­ls Worte lassen beide Interpreta­tionen zu. So betonte er, dass man verhindern wolle, dass das „Asylrecht mit einer Lehre umgangen werden kann“. Gleichzeit­ig soll ein eigener Aufenthalt­stitel für Lehrlinge in Österreich geschaffen werden, so der Sprecher, womit angedeutet sein kann, dass Asylwerber, die eine Lehre absolviere­n, im Land bleiben könnten. Eine Nachfrage an Launsky-Tieffentha­l blieb unbeantwor­tet.

Der frühere Sozialmini­ster Rudolf Hundstorfe­r (SPÖ) hatte im Jahr 2012 die Lehre für Asylwerber geöffnet. Per Erlass war damals geregelt worden, dass Asylwerber im Alter von bis zu 18 Jahren eine Lehre in einem Beruf annehmen können, in dem Lehrlinge fehlen. Zunächst meldeten sich nur sehr wenige Menschen, weshalb die Altersgren­ze 2013 auf 25 erhöht wurde. Zu den Mangelberu­fen zählen aktuell etwa Tischler, Koch, Stylistin, Elektrotec­hniker.

Da die Regelung nur auf einem Erlass des Ministers beruht, könnte die freiheitli­che Sozialmini­sterin Hartinger-Klein den Zugang zur Lehre in der Tat im Alleingang je- derzeit aufheben. Schwierige­r wird schon die Neuregelun­g. So gibt es inzwischen eine breite Koalition, die sich für ein Bleiberech­t für Lehrlinge einsetzt. Politisch koordinier­t wird sie vom oberösterr­eichischen Landesrat Rudi Anschober von den Grünen. Er sieht in der Lehre für Asylwerber die beste Möglichkei­t für gelungene Integratio­n.

Anschober tat sich am Sonntag schwer damit, die neue Linie der Regierung zu bewerten. Bisher seien das „nur Schlagwort­e“, so Anschober. Alles hängt davon ab, wie die Neuregelun­g aussieht. So müsse eine Lösung mit Bleiberech­t für die 1000 Asylwerber in Lehre gefunden werden. Anschober sieht Bundeskanz­ler Sebastian Kurz (ÖVP) am Zug. Kurz hatte sich in der Vergangenh­eit gegen ein Bleiberech­t ausgesproc­hen, sich in der jüngsten Debatte aber nicht zu Wort gemeldet.

Kritik an Strache und am Ende des Zugangs zur Lehre für Asylwerber kam vom Salzburger NeosPoliti­ker und Nationalra­tsabgeordn­eten Sepp Schellhorn. „Was Strache will, ist Frust und Resignatio­n unter den jungen Asylwer- bern verbreiten und damit das Land spalten.“Wenn Kanzler Kurz Strache nicht stoppt, „dann gehört er auch zu den Spaltern“.

Schellhorn sagt, er würde es begrüßen, wenn Asylwerber, die eine Lehre absolviere­n, die RotWeiß-Rot-Karte bekommen. Die Gefahr sei aber eine Salamitakt­ik: Die Regierung schafft die Lehre für Asylwerber ab und tut dann gar nichts, fürchtet Schellhorn. Die Verhandlun­gen über einen Aufenthalt­stitel für Lehrlinge, etwa via Rot-Weiß-Rot-Karte, könnten sich Monate hinziehen.

Gräben in der ÖVP

Gräben im Streit um die Lehrlinge verlaufen nicht nur zwischen Regierung und Opposition, umstritten ist die Frage auch in der ÖVP. Für die Lehrlinge setzen sich viele schwarze Wirtschaft­streibende ein. So fordern die meisten Landesorga­nisationen der Wirtschaft­skammer (WKO) eine „humanitäre“Lösung, klar positionie­rt hat sich die WKO in Oberösterr­eich, Salzburg, Tirol, Vorarlberg, Wien und der Steiermark. Zur Abschiebun­g von Lehrlingen bekannt hat sich jüngst Jürgen Mandl, Präsident der Kärntner Kammer. Im Büro von WKO-Chef Harald Mahrer hieß es, man plädiere für eine „humane und praktikabl­e“Lösung und wünsche einen Zugang von Drittstaat­sangehörig­en zu Ausbildung­splätzen.

Strache begründete seine Ablehnung der Lehre für Asylwerber damit, dass es „genügend Jugendlich­e gibt, die eine Lehre suchen“.

Österreich­weit gibt es aktuell mehr offene Lehrstelle­n als Lehrstelle­nsuchende. Beim Arbeitsmar­ktservice sind 12.545 Lehrstelle­n gemeldet. Es gibt aber nur 10.024 Lehrstelle­nsuchende. Dabei gibt es ein Ost-West-Gefälle: Im Westen fehlen Lehrlinge, etwa in Salzburg und Oberösterr­eich.

Hinzu kommt, dass viele der Lehrplätze nicht begehrt sind. So berichten zum Beispiel Dachdecker­betriebe davon, dass sich auf ihre Stellenanz­eigen niemand meldet. Der Arbeitsmar­ktforscher August Gächter sagt, dass es unter den Jugendlich­en Trends gibt: Bestimmte Jobs haben kein gutes Image und sind nicht gefragt.

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In Berufen mit einem Mangel an Bewerbern dürfen Asylwerber in Österreich eine Lehre absolviere­n, das ist aktuell bei rund 40 Berufen der Fall.

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