John McCain 1936–2018
Der „Maverick“der republikanischen Partei starb 81-jährig an den Folgen eines Gehirntumors
Es war ein kühler Herbsttag in Philadelphia, und John McCain hielt eine Rede, von der man heute weiß, dass sie seine letzte vor großem Publikum war. Er sprach von einem erstaunlichen Land, in dem alles möglich sei – auch dass der Schlechteste der Klasse Präsidentschaftsbewerber werden könne.
Er meinte sich selber, grinste sein unverwechselbares JohnMcCain-Grinsen – und wurde grundsätzlich. Es sei unpatriotisch, Ideale aufzugeben, um einem „halbgaren, fadenscheinigen Nationalismus“zu genügen, mahnte der alte Mann, der zu dem Zeitpunkt längst wusste, dass er an einem unheilbaren Hirntumor litt. Das sei so unpatriotisch wie die Anhänglichkeit an irgendein anderes Dogma, das auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sei. Die USA seien ein Land der Ideale – und keines, in dem man „Blut und Boden“schreie.
Den Namen Trump hat er in Philadelphia nicht erwähnt, und doch wusste jeder, wen sich der Senator vorknöpfte: einen Präsidenten, der Neonazis auf eine moralische Stufe mit linken Gegendemonstranten gestellt hatte. Und während die meisten Republikaner Kritik an dem Populisten im Oval Office hinter vorgehaltener Hand äußerten, redete McCain Tacheles. Da war er, der Maverick.
Rinder ohne Brandzeichen kennt man in Texas als Mavericks. John Sidney McCain III. war stolz darauf, wenn sie ihn so nannten. Er war ein konservativer Republikaner, aber auch ein unabhängiger Kopf. Viele solcher Originale gibt es nicht mehr im US-Kongress mit seinen tiefen Gräben zwischen Demokraten und Republikanern. Auch deshalb fühlt sich der Tod McCains an wie das Ende einer Ära.
1982 wurde er zum Abgeordneten gewählt, 1986 zum Senator. 2000, er bewarb sich erstmals für die Präsidentschaft, kam er nicht über die Vorwahlen hinaus, besiegt von George W. Bush. 2008 kürten ihn die Republikaner zwar zum Kandidaten fürs Weiße Haus, doch diesmal verlor er im Finale gegen Ba- rack Obama, den charismatischen Hoffnungsträger.
McCain, ein glühender Befürworter der Irak-Invasion, stand für ein Kapitel amerikanischer Hybris, das eine ernüchterte Mehrheit der Wähler rasch beenden wollte. In der Finanzkrise redete er so unbeirrt von der Großartigkeit Amerikas, dass sich der Eindruck aufdrängte, er habe den Ernst der Lage nicht begriffen.
Gleichwohl ließ er sich nie dazu herab, Kontrahenten persönlich zu attackieren. Der Maverick McCain: Im Parlament hat er Brücken über Parteienschluchten gebaut, wann immer er Reformen für richtig hielt.
2012/13 setzte er sich dafür ein, das Einwanderungsrecht so zu ändern, dass die elf Millionen Migranten ohne gültige Papiere die Grauzone zwischen Duldung und Abschiebung verlassen konnten. Dieser Anlauf führ- te zu nichts – McCain zum Außenseiter. Eine Rolle, die er genoss.
Im Juli vor einem Jahr – der Senat hatte über das Schicksal von Obamas Gesundheitsreform zu befinden – trat er vor und senkte den Daumen, gegen die eigenen Parteifreunde stimmend. Eine spektakuläre Geste, die das Aus für Obamacare vorübergehend verhinderte. Der Maverick in grellstem Scheinwerferlicht.
Eigener Ehrenkodex
Dass ihn viele als Helden verehren, hat mit Vietnam zu tun. 1967 wurde er über Hanoi abgeschossen und geriet in Kriegsgefangenschaft. Irgendwann machte die nordvietnamesische Regierung ihm, dem Sohn einen Flottenadmirals, das Angebot, früher als seine Kameraden entlassen zu werden. McCain lehnte ab: Es hätte gegen seinen Ehrenkodex verstoßen.
Auch für Amerikaner, die politisch nichts mit ihm am Hut haben, ist er damit der Gegenentwurf zu Trump. McCain sei kein Kriegsheld, „mir sind Leute lieber, die sich nicht gefangen nehmen ließen“, höhnte dieser Jahrzehnte später auf Wahlkampfbühnen.
Donald Trump, so soll John McCain schon Monate vor seinem Tod verfügt haben, möge seiner Trauerfeier bitte fernbleiben.