Mahrer-Interview sorgt für Debatten
Wirtschaftskammer-Chef deutete Lockerung für asylwerbende Lehrlinge an – Kritik an Äußerung zu Fachkräftemangel
Wien – Wirtschaftskammer-Chef und designierter Nationalbankpräsident Harald Mahrer hat schon am Samstag im Standard angedeutet, dass es zu Änderungen bei der umstrittenen Frage der Lehre für Asylwerber kommen könnte. Mahrer sagte, er suche gemeinsam mit der Regierung eine Lösung. Davor hatte er sich tendenziell ablehnend zur Forderung zahlreicher anderer Unternehmervertreter, Lehrlingen auch bei einem negativen Asylbescheid den Abschluss der Ausbildung zu ermöglichen, geäußert.
Lob für die Äußerung kam von der Wirtschaftskammer Wien. Die Bundeskammer habe ihren Vorschlag, die Rot-Weiß-Rot-Karte für von Abschiebung bedrohte Lehrlinge zu verändern, übernommen. „Jetzt muss sich nur noch die Regierung bewegen“, twitterte die Länder-Kammer. Ihr Präsident Walter Ruck hatte schon davor – ähnlich wie seine Pendants in anderen Bundesländer – für Erleich- terungen argumentiert: „Es macht keinen Sinn, dass die Unternehmen Geld in die Hand nehmen, junge Facharbeiter ausbilden, und knapp bevor sie für die Unternehmen zurückverdienen können, schieben wir sie ab.“
Weniger gut kam Mahrers Wortmeldung zum Fachkräftemangel an, von dessen Dimension er sich überrascht zeigte. Oppositionspolitiker warfen ihm daraufhin vor, die Lage bisher verkannt zu haben, und verknüpften die Kritik mit der gerade erfolgten Bestellung Mahrers zum Nationalbankpräsidenten. Dass ausgerechnet der Präsident der Wirtschaftskammer den Bedarf an Fachkräften nicht kenne, werfe kein gutes Licht auf die Personalauswahl der Regierung, erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Max Lercher. „Harald Mahrer hat mittlerweile offenbar einfach zu viele Funktionen, um zu erkennen, dass die Politik der Regierung den Fachkräftemangel vergrößert“, meinte Lercher.
Auch Neos-Mann Sepp Schellhorn stimmte in die Kritik ein: „So geht es einem Präsidenten, wenn man von Unternehmertum und Praxis nichts versteht“, erklärte er.
Die Kammer versuchte, Mahrers Aussagen mit Zahlen zu untermauern. Laut einer Erhebung seien 87 Prozent der Betriebe von Fachkräftemangel betroffen, 2017 seien es noch rund zwei Drittel gewesen. 60 Prozent der befragten Betriebe leiden dadurch unter Umsatzeinbußen. (as)