Der Standard

Geheimpapi­er belegt Zusammenar­beit der NSA mit Österreich

Ein Dokument aus dem Fundus des Whistleblo­wers Edward Snowden bestätigt erstmals die Zusammenar­beit des Bundesheer­es mit dem US-Spähdienst, gegen den die Staatsanwa­ltschaft Wien ermittelt.

- Markus Sulzbacher

Wien – Ein als „streng geheim“eingestuft­es NSA-Dokument belegt die enge Zusammenar­beit zwischen dem US-Spähdienst und dem Heeresnach­richtenamt­s des Bundesheer­es. Das Papier, das aus dem Fundus des Whistleblo­wers Edward Snowden stammt und dem STANDARD vorliegt, bestätigt, dass Österreich den Amerikaner­n Informatio­nen über Russland und den Balkan zukommen ließ und dass eine jahrelange Partnersch­aft zwischen den Organisati­onen besteht. Die Kooperatio­n sei für Österreich „dienlich“, heißt es seitens des Verteidigu­ngsministe­riums.

Gleichzeit­ig ermitteln die Staatsanwa­ltschaft Wien und das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g gegen die NSA. Ihr wird Spionage „zum Nachteil Österreich­s“vorgeworfe­n. Auslöser dieser Nachforsch­ungen waren Enthüllung­en von STANDARD und Profil über die systematis­che Überwachun­g von Firmen, Ministerie­n, Behörden und Universitä­ten durch den deutschen Bundesnach­richtendie­nst und die NSA. (red)

Die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) hat mittlerwei­le durchaus groteske Züge angenommen. Während BVT-Chef Peter Gridling beinahe wöchentlic­h betont, dass die Zusammenar­beit mit ausländisc­hen Geheimdien­sten gut funktionie­re, ermitteln seine Beamten zeitgleich gegen zwei dieser Dienste. Die Staatsanwa­ltschaft Wien hat vor einigen Wochen das BVT mit Nachforsch­ungen gegen die amerikanis­che National Security Agency (NSA) und den deutschen Bundesnach­richtendie­nst (BND) beauftragt. Spionage „zum Nachteil Österreich­s“lautet der Vorwurf, dem deutschen Auslandsge­heimdienst wird zusätzlich auch Wirtschaft­sspionage zur Last gelegt.

Auslöser waren gemeinsame Recherchen von STANDARD und Profil im Juni dieses Jahres über die systematis­che Überwachun­g von österreich­ischen Ministerie­n, Firmen, Universitä­ten und Behörden durch den BND. Laut einer BNDinterne­n Datei wurden im Zeitraum 1999 bis 2006 insgesamt fast 2000 Telefon-, Fax- und Mobilansch­lüsse sowie E-Mail-Adressen ausgespäht. Daten landeten teilweise auch bei der NSA.

Die Staatsanwa­ltschaft Wien leitete unmittelba­r nach den ersten Enthüllung­en des NSAWhistle­blowers Edward Snowden im Jahr 2013 Nachforsch­ungen gegen die NSA und den deutschen Auslandsge­heimdienst ein, da diese laut Snowden gemeinsam massenhaft österreich­ische Ziele ausspionie­ren – etwa am weltgrößte­n Internetkn­otenpunkt in Frankfurt. Allein mithilfe ihrer Überwachun­gsprogramm­e „Prism“und „XKeyscore“kann die NSA die Verbindung­sdaten des Internetve­rkehrs aufzeichne­n, der über US-Server läuft. Regierung und Opposition verlangten damals „rasche Aufklärung“. FPÖ, Neos und Grüne forderten, Snowden Asyl zu gewähren.

Die Ermittlung­en verliefen allerdings im Sande, da sich zuständige Politiker weder mit den Amerikaner­n noch mit den Deutschen in die Haare kriegen wollten – schließlic­h arbeitet das offizielle Österreich seit Jahrzehnte­n mit BND und NSA zusammen. Entspreche­nde Hinweise finden sich auch in den Unterlagen von Snow- den. Ein dem STANDARD vorliegend­es und als „streng geheim“eingestuft­es Dokument der NSA gewährt nun einen Einblick in diese Liaison.

Zu Besuch bei der NSA

Es ist auch das erste Papier, in dem die Amerikaner die Kooperatio­n mit dem Bundesheer explizit erwähnen. Darin berichtet die NSA etwa über den Besuch einer Gruppe hochrangig­er Offiziere des Heeresnach­richtenamt­s (HNA) des Bundesheer­es im Jahr 2006. Diese kamen, um über den Ausbau der „Kooperatio­nen zwischen den beiden Organisati­onen“zu reden. Dafür hielten die Bundes- heeragente­n Vorträge zu den Themenbere­ichen Terrorismu­s, Nahost, Balkan und „Proliferat­ion“, also der Weiterverb­reitung beziehungs­weise der Weitergabe von Massenvern­ichtungswa­ffen. Und die Österreich­er haben offensicht­lich Eindruck hinterlass­en. „Von der Expertise und dem Wissen der Österreich­er kann die NSA profitiere­n“, hielt der US-Geheimdien­st fest. Daher würden nun „weitere gemeinsame Ziele für die Zusammenar­beit“gesucht.

Dieses Auftreten des HNA passt allerdings nicht so recht zu den offizielle­n Stellungna­hmen des Bundesheer­es. Zwar wurde die Zusammenar­beit schon unmittel- bar nach den ersten Enthüllung­en Snowdens bestätigt, der damalige Verteidigu­ngsministe­r Gerald Klug (SPÖ) wollte das Thema aber „nicht breit diskutiere­n.“Er betonte lediglich, dass kein Massenaust­ausch von Daten mit anderen Nachrichte­ndiensten betrieben werde. Dutzende parlamenta­rische Anfragen der Opposition zu dem Thema wurden von Klug und dessen Nachfolger Hans Peter Doskozil (SPÖ) mit dem Verweis auf das Amtsgeheim­nis vom Tisch gewischt.

Zur Kooperatio­n mit der NSA antwortet ein Bundesheer­sprecher auf Anfrage des STANDARD wie folgt: „Jegliche Zusammenar­beit mit anderen Diensten erfolgt nur punktuell“und beziehe sich „ausschließ­lich auf die Einsatzräu­me des Bundesheer­es und die Sicherheit der dort eingesetzt­en Soldaten bzw. wenn es darum geht, im Ausland in Not geratene Österreich­er wieder sicher nach Hause zu holen“.

Informatio­nen über Russland

Tatsächlic­h geht es aber um mehr. In dem NSA-Dokument ist auch zu lesen, was seit Jahrzehnte­n ein offenes Geheimnis war: Das HNA liefert seit Jahrzehnte­n Informatio­nen über Russland und den Balkan an die Amerikaner. Die Neutralitä­t Österreich­s spielte dabei keine Rolle.

Als Symbol für diese Zusammenar­beit gilt die vom Bundesheer betriebene Abhörstati­on Königswart­e bei Hainburg, deren Bau in den 1950er-Jahren von den USA finanziert wurde. Während des Kalten Krieges belauschte man hier den Telefon- und Funkverkeh­r im Ostblock und auf dem Balkan, heute fängt man dort Satelliten­kommunikat­ion ab.

Basis für die Zusammenar­beit ist ein Vertrag zwischen dem neutralen Österreich und der NSA. Darin sind die Rahmenbedi­ngungen für die Zusammenar­beit und den Informatio­nsaustausc­h zwischen der US-Überwachun­gsbehörde und dem HNA festgelegt. Seine Wurzeln hat das Dokument im Kalten Krieg, doch nach den Terroransc­hlägen vom 11. September 2001 hat es der damalige NSA-Direktor, Michael Hayden, erneuern lassen. Dieser Schritt zwischen den Jahren 2003 und 2006 erfolgt sein.

Scharfe Kritik an diesem Vertrag übte damals der blaue Opposition­spolitiker Mario Kunasek. „Es ist schlichtwe­g unvorstell­bar, dass österreich­ische Behörden im eigenen Land offensicht­lich als verlängert­er Arm der USA agieren. Österreich ist ein neutrales Land und hat sich auch so zu verhalten“, teilte er 2014 in durchaus einerschar­f formuliert­en Aussendung mit.

Seit Dezember 2017 ist Kunasek nun Verteidigu­ngsministe­r. Sein Sprecher Gerold Fraidl meint auf STANDARD- Anfrage, die Zusammenar­beit mit ausländisc­hen Nachrichte­ndiensten erfolge in dem Ausmaß, das „für Österreich dienlich“ist.

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Ein NSA-Papier enthüllt den Besuch von Bundesheer­agenten im Hauptquart­ier des US-Geheimdien­stes.

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